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Igor Jakowenko: Sodomiten, Satanisten, Russophobe

Quelle: Vojna slov – 154. Sodomity, satanisty, rusofoby, Donnerstag, 1. Juni 2017.

Übersetzung und Anmerkungen: M. Roth, 5. Juni 2017.

Der russische Journalist und ehemalige Parlamentarier der Partei Jabloko Igor Jakowenko (Ígor’ Jakovénko) hat

Am Gespräch nahmen teil:

  • Wladimir Solowjow (Vladímir Solovëv) (*1963, Moskau), russischer Journalist, Fernseh- und Radiomoderator, Publizist, Sänger und Gesellschaftsaktivist jüdischer Herkunft.

  • Wladimir Schirinowski (Vladímir Žirinóvskij) (*1946, Alma-Ata, Kasachstan), antisemitischer, rechtsextremer, nationalistischer und populistischer russischer Politiker und Rechtsanwalt. Gründer und Parteivorsitzender der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR). Als Politiker rangiert er in puncto Beliebtheit seit längerem auf den obersten Plätzen in Russland. Gemäß einer Analyse des Lewada-Zentrums vom 7. März 2017 war er nach Präsident Putin, Verteidigungsminister Sergéi Schoigú und Außenminister Sergéi Lawrów viertbeliebtester Politiker Russlands.

  • Nikolai Slobin (Nikoláj Zlóbin) (*1958, Moskau), amerikanisch-russischer Politologe, Historiker, Publizist. Präsident des Center on Global Interests in Washington. Autor von Büchern und Publikationen (zu Politik, Geschichte und den russisch-amerikanischen Beziehungen), die unter anderem in der New York Times und der Los Angeles Times erschienen sind.

  • Semjon Bagdassarow (Semën Bagdasárov) (*1954, Margʻilon, Usbekistan), russischer Politiker (Partei Gerechtes Russland), Direktor des Zentrums zur Erforschung des Nahen Ostens und von Zentralasien. Er hält die „Amerikaner“ für „Sodomiten und Satanisten“.

  • Jewgeni Satanowski (Evgénij Satanóvskij) (*1959, Moskau), russischer Orientalist und Ökonom, Präsident des unabhängigen „Wissenschaftszentrums“ Nahost-Institut. Zitat: „Ich liebe das Königreich [Saudi-Arabien], aber ich kann denen nicht verzeihen, die uns Wolgograd, Beslan und Nord-Ost eingebrockt haben.“

  • Sergei Michejew (Sergéj Michéev) (*1967, Moskau), russischer Politologe. Zitat: „Der Westen leidet an Faschismus. Sie haben uns als Minderwertige verbucht, erklären uns zu ‚Unmenschen’.“

  • Bogdan Bespalko (Bogdan Bezpál’ko) (*1975), Vizedirektor des Ukrainistik- und Belorusistik-Zentrums an der Lomonossow-Universität Moskau, spricht vom „rassistischen Paradigma der Angelsachsen“.

russischer Künstler, Blogger, Musiker (Band „Wassja Loschkin und irgendwelche Leute“)

Der Höllenkessel ist mit "Russophobe" (russ. rusofoby) angeschrieben.

Die weltweit-historische kriminelle Organisation gegen Russland ist enthüllt, sie besteht aus Brzeziński, den Saudis, Angelsachsen, Ukrainern, Amerikanern, Clapper und Aristoteles.

Je schlimmer sich die wirtschaftliche Situation Russlands darstellt und je schwerer sich die Putin’sche Diplomatie mit den außenpolitischen Niederlagen tut, desto mehr Neues und Unerwartetes können die Russen aus dem Fernseher über die sie umgebende Welt und ihren Platz in ihr erfahren.

Zuerst erklärte der frischgewählte französische Präsident Putin, dass seine Medien keinerlei Journalismus, sondern Propaganda seien, und Putin stand da und schwieg wie ein Schüler, dem ein strenger Lehrer die Leviten liest.1 Wo ist der berühmte Macho geblieben, der den Weltführern gerne abgeschmackte Anekdoten erzählt? Warum hat er diesen Macron nicht daran erinnert, was der Unterschied zwischen Großmutter und Großvater ist?2 Und danach geschah etwas überhaupt Unglaubliches und, wenn man es sich genau überlegt, sogar Furchtbares: Moldawien schaffte drei russische Diplomaten aus. Dabei hatten die russischen Medien soeben mit Stolz den Präsidenten Moldawiens Dodon neben Putin bei einer dem Jahrestag des Sieges gewidmeten Parade gezeigt. Dies war das einzige Staatsoberhaupt, das sich einverstanden erklärt hatte, das Vergnügen ob der Anschauung von Mordwaffen, die über das Pflaster des Roten Platzes donnerten, mit Putin zu teilen.3 Und nun das... Im Lande gibt’s beim Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung eine brandneue Nachricht für die Russen: In den nächsten 20 Jahren werden sie schlechter und schlechter leben, besonders betrifft das die Rentner, das heißt den Hauptwähler und auch Hauptfernsehzuschauer.4

Unter diesen Bedingungen musste man schnell Schuldige suchen – und die wurden auch umgehend gefunden. Sie entpuppten sich als der kürzlich verstorbene Zbigniew Brzeziński, die „Saudis“ (Einwohner von Saudi-Arabien), die „Angelsachsen“ (altgermanische Stämme), die „Amerikaner“ (Einwohner der USA), der ehemalige Nationale Geheimdienstdirektor James Clapper und auch Aristoteles, der altgriechische Philosoph, der im 4. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat und gestorben ist. All diese Leute, stellt sich heraus, haben sich zu einer globalen weltweit-historischen kriminellen Organisation zusammengetan, deren Ziel die Russophobie war, das heißt die theoretische Begründung der Notwendigkeit, Russland zu vernichten, und ferner diesen abscheulichen Plan in die Praxis umzusetzen.

Um zu verstehen, wie diese Bande in der Geschichte und vor allem in der Gegenwart ihr Unwesen getrieben hat, und ferner wie sich all diese so verschiedenen Leute als ein und dieselbe kriminelle Organisation entpuppt haben, muss man sich der Primärquelle, das heißt jener Ermittlung, in der diese ganze Weltverschwörung aufgedeckt wurde und die Schuldigen entdeckt und beim Namen genannt wurden, zuwenden. Diese ganze russophobe Bande wurde in Wladimir Solowjows Sendung Abend [russ. Večer] vom 31. Mai 2017 ans Licht gebracht und der Allgemeinheit vorgelegt. Es lief folgendermaßen ab:

Zuerst entlarvte Sch[irinowski] postum Zbigniew Brzeziński. „Brzeziński ist schlimmer als Hitler!“, teilte der Vorsitzende der LDPR [i.e. Liberal-Demokratische Partei Russlands] mit. Und sogleich führte er zugunsten dieser Beurteilung hieb und stichfeste Beweise an. Es stellt sich heraus, dass dieser Brzeziński den Auftrag erteilt habe, eine Waffe zu bauen, die nur Russen vernichtet. Der Vorsitzende der LDPR gab wortwörtlich ein Gespräch Brzezińskis mit amerikanischen Wissenschaftlern wieder: Könnt ihr so eine Waffe bauen, nur gegen Russen? – Nein, sagen sie, können wir noch nicht. – Na los, arbeitet schneller. Wie er vom Inhalt dieses geheimen Gesprächs erfahren hat, erläuterte Sch[irinowski] nicht, aber man kann an der Glaubwürdigkeit der Worte des zweitbeliebtesten Politikers von Russland keinesfalls zweifeln.

Das Gewicht und die Bedeutsamkeit von all dem, was Sch[irinowski] aus sich herauszieht, bestätigte sogleich der amerikanische Politologe Nikolai Slobin, der dazu aufrief, sich gegenüber den Worten des Vorsitzenden der LDPR zu verhalten als Worten eines Menschen, der seiner Meinung nach durchaus russischer Präsident werden könne, falls Putin aus irgendwelchen Gründen nicht an den Wahlen 2018 teilzunehmen wünscht. Diese Replik des Herrn Slobin charakterisiert ihn in meinen Augen ausgezeichnet als Politologen und schafft endgültige Klarheit über seine ständige Präsenz im russischen Fernsehen. Es ist ihm aber offenbar gelungen, den Worten von Sch[irinowski] in den Augen eines gewissen Teils der Zuhörerschaft Gewicht zu verleihen.

Und Sch[irinowski] konnte die Erwartungen rechtfertigen. Als er die Tragödie in Afghanistan kommentierte, wo 90 Menschen durch die Hände von Terroristen ums Leben gekommen sind, schrie der Vorsitzende der LDPR freudig: „Zu wenig Terroranschläge! Es braucht noch tausende Terroranschläge! Es müssen noch tausende al-Qaidas und tausende bin Ladens erscheinen! Man muss anfangen, sie abzuschlachten! Und dann bitten sie uns um Hilfe, und wir werden ihnen zu unseren Bedingungen helfen!“ Aus dem zusammenhangslosen Gezeter von Sch[irinowski] war nicht einfach zu erschließen, nach wessen Tode die Seele des zweitbeliebtesten Politikers Russlands so dürstet, aber ausgehend vom Kontext ging es offenbar um die Einwohner Afghanistans und ferner die Bürger der zentralasiatischen Republiken, denen der Anführer der LDPR den Untergang und danach die wundersame Rettung durch die Hände des russischen Soldaten prophezeite. Was hingegen den Westen anbelangt, so teilte Sch[irinowski] mit, dass die Länder Europas nicht auf die NATO zu hoffen brauchen, da er, Sch[irinowski], in der Nacht angreifen werde, wenn die ganze NATO schlafe. „Nein, Jungs, ihr werdet’s nicht schaffen!“, polterte Sch[irinowski] freudig. „In der Nacht! Am Morgen werden in allen Hauptstädten russische Flaggen hängen und meine (!) Truppen marschieren in alle Länder Europas! Und die Alte Merkel (die deutsche Kanzlerin ist 12 Jahre jünger als der Vorsitzende der LDPR – I. Ja.), der junge Macron und diese... wie heißt sie... May werden an die Pforte des Kremls pochen, und ich werde ihnen Marken für die Schlange beim Empfang aushändigen!“

Diesen Feind, den Politologen Slobin, enthüllte und entlarvte der Orientalist Bagdassarow, der erklärte, dass die Amerikaner „Sodomiten und Satanisten“ seien und der Politologe Slobin ein strahlender Repräsentant des gegebenen Typs von Feinden des Menschengeschlechts sei. Nikolai Wassiljewitsch Slobin versuchte zuerst, etwas zu sagen, dann verstand er offenbar, dass man da mit Worten nichts ausrichten kann, und entschloss sich, sachliche Beweise seiner Unschuld vorzuweisen. „Ich muss dir wohl das Kreuz zeigen!“, rief der amerikanische Politologe Slobin aus und begann, einen Hemdknopf herauszureißen. „Hört auf, euch hier bei mir mit Kreuzen zu messen!“, forderte Solowjow und rettete damit das Slobin’sche Hemd vor Schaden und die Slobin’sche Ehre vor Schimpf. Hierdurch war der Politologe Slobin persönlich aus dem Kreise der Angeschuldigten ausgeschlossen worden, aber die Schuld aller verbliebenen Amerikaner stand fest.

Nach den Amerikanern kamen die Saudis an die Reihe. Hierbei fungierte ein zweiter Orientalist, Jewgeni Satanowski, als Hauptankläger. Der begann derart harsch über Saudi-Arabien herzuziehen, dass selbst Solowjow ihn fragte, warum er die Saudis so hasse. „Ich liebe das Königreich (Saudi-Arabien – I. Ja.)“, bekannte der Orientalist Satanowski, „aber ich kann denen nicht verzeihen, die uns Wolgograd, Beslan und Nord-Ost eingebrockt haben.“ Insofern all diese Bezeichnungen nur mit Terroranschlägen in Verbindung stehen, kann man mit Sicherheit behaupten, dass an all denn größten Terroranschlägen, die in den letzten zwanzig Jahren in Russland verübt worden sind, nach Meinung des „Experten“ Satanowski die Saudis schuld sind.

Es wurde Zeit, alle Glieder dieser unheilvollen Kette in Zusammenhang zu bringen – beziehungsweise alle Fäden dieses giftigen Spinnennetzes, das den ganzen Planeten umfasst und dessen Ziel – das steht unwiderlegbar fest! – der Untergang Russlands ist. Vor dem Tribunal erschien der Westen insgesamt und seine Speerspitze, die Angelsachsen. Der Ankläger Sergei Michejew tat kund: „Der Westen leidet an Faschismus. Sie haben uns als Minderwertige verbucht, erklären uns zu ‚Unmenschen’ [russ. neljudi].“ Ihn unterstützte der Politologe Bogdan Bespalko, der viel vom „rassistischen Paradigma der Angelsachsen“ sprach, wobei nicht ganz klar war, ob er von Stämmen der alten Germanen sprach, die diese Namen getragen hatten, oder ob ihre heutigen Nachkommen an Rassismus leiden.

Als Solowjow sah, dass das Tribunal ohne seine Beteiligung nicht zu einem Schuldspruch kommen konnte, beschloss er, den Prozess in die eigenen Hände zu nehmen – und nannte die Namen der Hauptrassisten und -russophoben. Der erste von ihnen wurde der ehemalige Nationale Geheimdienstdirektor der USA James Clapper, der vor Kurzem, bereits in Rente, gesagt hatte, dass ihn „all diese Kontakte mit den Russen sehr beunruhigen“, zumal sie „sich in unsere Wahlen einmischen“, und überhaupt „beinahe auf genetischem Niveau zu Betrug, Eindringen, Assimilation veranlagt sind.“(5) Falls in Russland bis anhin ein paar hundert, na vielleicht ein paar tausend Spezialisten den Namen des ehemaligen Nationalen Geheimdienstdirektors der USA gekannt haben, so müssen ihn nun, da er in Rente gegangen ist, offenbar alle kennen – als einen der Hauptrussophoben des Planeten. Die Wörter „auf genetischem Niveau“ sprach Solowjow ein paar zig Mal aus und von Mal zu Mal steigerte er sich in eine gelenkte Hysterie hinein, schliesslich gelangte er dazu, den Rentner Clapper faktisch zu beschuldigen, den Bau eines Vernichtungslagers für die Russen und zugleich auch für die Juden zu planen. Hierbei war es gänzlich unmöglich anzunehmen, dass Solowjow nicht versteht, dass das Wort „genetisch“ hier als Metapher verwendet wurde und nun mal sicher keinen rassistischen Charakter trug. Besonders lustig wirkten diese hysterischen Anschuldigungen der Russophobie angesichts jener scharfmacherischen Amerikaphobie, die ja Bagdassarow soeben in ebendieser Sendung gezeigt hatte, und jenes grimmen Hasses auf die ganze Welt, den Sch[irinowski] ausspuckt.

Um der Russophobie ein weltweit-historischen Ausmaß zu verleihen, war die Figur Clapper deutlich zu klein. Deswegen entschloss sich Solowjow, die Wurzel dieses Übels zu finden und entdeckte eine Person von ausreichendem Ausmaß für die Rolle als Hauptrussophober des Planeten im Alten Griechenland. „Schon Aristoteles hat gesagt, dass Sklaven dazu veranlagt sind, Sklaven zu sein!“, schrie Solowjow auf und brachte die ganze Welt des verfluchten Westens mit einer nahtlosen historischen Linie der Russophobie in Einklang. Endlich war die historische Achse des Übels gefunden, die von Aristoteles zu Clapper führt.

Sofern die Probleme des Putin’schen Russland sich deutlich verschärfen werden, wird Solowjows Puppentheater neue Entdeckungen in Geschichte und Geographie machen. Man muss die Köpfe der Russen ja auch mit irgendetwas einschlagen, wenn es immer weniger zu essen gibt.

Anmerkungen

(1) Am 29. Mai 2017 weilte Putin als erster Auslandsgast beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser kritisierte dabei öffentlich die Einflussnahmeversuche russischer Medien auf den französischen Wahlkampf. Der Fernsehsender Russia Today und das Nachrichtenportal Sputnik hätten sich nicht wie „Presseorgane“, sondern wie Organe „erlogener Propaganda“ verhalten. Er habe immer ein beispielhaftes Verhältnis zu ausländischen Journalisten gehabt, allerdings müssten sie auch Journalisten sein. Putin schwieg zu den Vorwürfen. („En vérité Russia Today et Sputnik ne se sont pas comportés comme des organes de presse et des journalistes mais comme des organes d'influence, de propagande et de propagande mensongère, ni plus ni moins. [...] J'ai toujours eu une relation exemplaire avec les journalistes étrangers, encore faut-il qu'ils soient journalistes.“)

(2) Auf einer Pressekonferenz in Mailand am 17. Oktober 2014 antwortete Putin auf die Frage eines amerikanischen Korrespondenten, was passiere, wenn der Rubel weiterhin falle: „Wir haben ein Sprichwörtchen... So ein grobes über Großmutter und Großvater...Wenn eine Großmutter die äußeren Geschlechtsorgane eines Großvaters hätte, wäre sie ein Großvater und keine Großmutter.“

(3) Am 29. Mai 2017 verwies die Republik Moldau fünf russische Diplomaten des Landes. Der prorussische moldauische Präsident Ígor Dodón war kurz zuvor am 9. Mai Ehrengast bei den Festlichkeiten zum „Tag des Sieges“ in Moskau gewesen.

(4) Zur gleichen Zeit berichtete die russische Tageszeitung Védomosti, dass das Ministerium für die wirtschaftliche Entwicklung der Russischen Föderation in seiner Prognose für 2035 das Pensionsalter für Männer auf 65 (bislang 60) und für Frauen auf 63 Jahre (bislang 55 Jahre) zu heben gedenke, wobei kein reales Wachstum der Renten für die nächsten 20 Jahre zu erwarten sei. Bei diesen Zahlen gilt es zu bedenken, dass die durchschnittliche Lebenserwartung für russische Männer selbst in neusten Prognosen immer noch unter oder nur knapp über 65 Jahren liegt (in der Schweiz z.B. ca. 80 Jahre).

(5) Clapper sagte in einem NBC-Interview vom 28. Mai 2017: "If you put that in context with everything else we knew, the Russians were doing to interfere with the election, and just the historical practices of the Russians, who typically, almost genetically driven to co-opt, penetrate, gain favor, whatever, which is a typical Russian technique. So we were concerned."


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