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Artëm Tkačuk: Die katholische Kirche und die belarussische Führung. Muster eines politischen Gleichg

Übersetzung: M. Roth, 3. März 2016.

Am 2. Februar 2016 kritisierte Leonid Guljako, der Beauftragte für Religionen und Nationalitäten von Belarus, die römisch-katholische Kirche in Belarus dafür, dass sie „nicht genug aktiv auf die Ausbildung des Personals hinarbeitet“ und „einzelne katholische Priester [russ. ksëndz, poln. ksiądz], Staatsbürger der Republik Belarus, destruktive Arbeit unter der Bevölkerung ausführen.“

Zwei Tage darauf definierte die katholische Bischofskonferenz von Belarus in einer offiziellen Erklärung diese Fragen als „ausschließlich innere Angelegenheiten der katholischen Kirche“. Die Bischöfe schlugen vor, derartige Fragen „persönlich zu erörtern“. Dieser öffentliche Meinungsaustausch zog jedoch kein gesellschaftliches Interesse auf sich.

In den letzten Jahren wurde der Beauftragte für Religionen und Nationalitäten zum Sprachrohr der Beanstandungen der Führung in Bezug auf die Katholiken. Er äußerte auch zuvor in den Jahren 2014 und 2015 Missfallen über die „Personalausbildung“ und die Arbeit unter der Bevölkerung.

Nichtsdestotrotz bedroht Guljakos Kritik die Zusammenarbeit von Kirche und Staat in keiner Weise. Nach diesen Äußerungen stattete Kardinal Pietro Parolin im Januar 2015 einen offiziellen Besuch in Minsk ab, wurde die „Katholische Theologische Akademie ‚Johannes Paul II.’“ [in Minsk] registriert und Aleksandr Lukašenko überreichte Pater Česlav Kurečko [aus Rossiza in der Oblast Witebsk] die präsidiale Auszeichnung „für seelische Erneuerung“.

Die Attacken des staatlichen Beamten werden mit dem Ziel durchgeführt, die politische Loyalität der Kirche zu prüfen. Die Bischofskonferenz ihrerseits lehnt Vorwürfe diskret ab, leitet den Dialog in eine andere Richtung um und kritisiert die belarussische Führung niemals.

Katholischer Status quo in der belarussischen Politik

Ungefähr 80% der Gläubigen von Belarus bezeichnen sich als Orthodoxe und 10% als Katholiken. Die Führung hält diese zwei Konfessionen für die legitimsten und wichtigsten.

Im Jahr 2009 hat eine Studie von „Gallup“ gezeigt, dass Belarus eines der am wenigsten religiösen Länder der Welt ist. Gemäß diesen Daten spielt die Religion bei 27% der Belarussen eine wichtige Rolle im Alltag und nur 6% besuchen die Kirche regelmäßig. Die Katholiken sind aber die aktivsten Gläubigen: 50% von ihnen besuchen den sonntäglichen Gottesdienst regelmäßig, wohingegen diese Zahl bei den Orthodoxen 18% ausmacht.

Die belarussische Diplomatie unterhält als Vorposten der westlichen Linie gute Beziehungen zum Vatikan. Die Beamten und staatlichen Medien sprechen nur wohlwollend über die römisch-katholische Kirche.

Pater Aleksandr Amel’čenja, der Direktor der belarussischen Abteilung von Radio Vatikan, sagte einmal: „Um ein positives Image des Landes zu schaffen, ist es sinnvoll, ein positives Bild der katholischen Kirche [russ. kostël] zu schaffen.“

Die Führung lädt Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz auf die wichtigsten staatlichen Veranstaltungen ein. Kürzlich nahm der Erzbischof an einer Zeremonie zum Gebet für Belarus teil und saß anlässlich der fünften Amtseinführung von Präsident Lukašenko in der ersten Reihe. Kondrusiewiczs Anwesenheit bei offiziellen Ritualen demonstriert die Loyalität der katholischen Kirche zum belarussischen Regime.

Die Verhaftung von Pater Vladislav Lazar’ [Dekan in Baryssau/Borissow], der des Landesverrats angeklagt wurde, wurde zum offensichtlichsten Beispiel der schwierigen Beziehungen zwischen Kirche und Führung. Am 30. Mai 2013 nahm der KGB den katholischen Geistlichen fest. Lukašenko gab dies im Juli bekannt und später wurde die Tatsache vom Pressesprecher der Bischofskonferenz bestätigt. Erzbischof Kondrusiewicz beschränkte sich auf einen Aufruf, für Pater Lazar’ zu beten.

Gesellschaftsinitiativen hingegen, die um das Schicksal des Geistlichen besorgt waren, schlugen Alarm, die katholische Führung schwieg. Am 3. Dezember ließ die Führung Pater Vladislav frei und die Angelegenheit gelangte nicht bis zum Gericht, aber keine der beiden Seiten не раскрыла никаких обстоятельств ареста. Die katholischen Bischöfe bekunden selbst in den schwersten Momenten die Standhaftigkeit der Beziehungen zur Führung.

Wo kollidieren die Interessen des Staats und der katholischen Kirche?

Nach jahrzehntelangem Atheismus in der Sowjetunion kehrte die Religionsfreiheit ziemlich langsam nach Belarus zurück. Die Kommunisten hatten die meisten Kirchen zerstört und die Mehrheit war zu Lagerhäusern oder Industrieanlagen umfunktioniert worden. Der Mangel an Geistlichen, die Inexistenz administrativer Strukturen und der Bedarf des Wiederaufbaus und der Reparatur von Kirchen sind derzeit die Schlüsselprobleme der katholischen Kirche in Belarus. Die Entscheidung all dieser Fragen hängt von der belarussischen Führung ab.

Seit 1989 spielen polnische Geistliche eine wichtige Rolle bei der Erneuerung der katholischen Kirche in Belarus. Gemäß einer Statistik des Apparats des Beauftragten für Religionen und Nationalitäten machen sie heute mehr als 25% der Gesamtanzahl katholischer Geistlicher in Belarus aus. Mit seiner Kritik der „nicht genügend aktiven Personalausbildung“ hatte Guljako die Notwendigkeit eines Austauschs ausländischer Geistlicher durch einheimische im Sinn. Die Reduzierung der Anzahl polnischer Geistlicher war lange Zeit eine der Prioritäten der Arbeit dieses Beamten. Gemäß Guljako „versuchen einige polnische Geistliche Politik zu betreiben“ und „lieben unser Land, unser Gesetz und die Führung nicht“.

Die Bischofskonferenz versichert, dass sich von 2009 bis 2015 die Anzahl polnischer Geistlicher von 168 auf 113 vermindert hat. Eine bedeutende Anzahl von ihnen bekam trotz Protesten vonseiten der Gläubigen keine Arbeitserlaubnis in Belarus.

Die Medien berichten über die meisten dieser Fälle nicht, aber selbst die fragmentarische Informationslage zeigt, dass im Jahr 2009 vier polnischen Geistlichen das Visum verweigert wurde, im Jahr 2012 dreien und im Jahr 2014 zweien. Die abrupte Reduzierung der Anzahl von Geistlichen kann das Funktionieren der Kirche bedeutend erschweren.

Neue Pfarreien warten jahrelang auf die Erlaubnis zum Bau einer Kirche und Lukašenko unterschreibt persönlich jede einzelne davon. Die katholischen Priester äußern aber niemals öffentlich ihre Besorgnis in dieser Frage. Der Protest von Gläubigen in Grodno im Dezember 2006 war die einzige Abweichung von dieser Politik des Schweigens.

Pater Aleksandr Šemet, der zehn Jahre lang vergeblich auf die Erlaubnis zum Bau einer Kirche gewartet hatte, organisierte einen Hungerstreik, infolge dessen die Führung nach fünf Tagen die Erlaubnis erteilte. Der Bischof von Grodno Aleksander Kaszkiewicz wurde zwar über die geplante Protestaktion informiert, die gewaltige Unterstützung der Gläubigen und die Verzweiflung des Geistlichen gestatteten es ihm aber nicht, die Protestaktion zu verhindern.

Das Treffen von Papst Franziskus und Patriarch Kirill: eine neue Chance für die belarussische Diplomatie?

Einige Analytiker halten dieses historische Treffen der zwei christlichen Leader in Kuba [am 12. Februar 2016] für einen persönlichen Rückschlag für Lukašenko. Der belarussische Präsident hatte leidenschaftlich für die Abhaltung dieses Treffens in Minsk geworben. Erzbischof Kondrusiewicz hatte mit Enthusiasmus verkündet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Papst Belarus besucht, angeblich größer als jemals zuvor sei. Eine loyalere Beziehung zu den Katholiken schafft neue Möglichkeiten für die belarussische Außenpolitik und deren gegenwärtigen Bemühungen, die Beziehung zum Westen zu normalisieren.

Es ist durchaus möglich, dass Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz einige Zusatzboni erhalten wird, so z.B. die Lizenz für einen katholischen Rundfunk auf Kurzwelle. Von der Gesetzgebung bekräftigte Garantien jedoch bleiben unwahrscheinlich. Zur Zeit des Treffens mit Kardinal und Staatsschreiber Tarcisio Bertone im Jahr 2008 brachte Lukašenko seine Bereitschaft, ein Konkordat mit dem Vatikan zu unterschreiben, zum Ausdruck, später legte Minsk den Verhandlungsprozess aber auf Eis.

Der ehemalige polnische Botschafter in Minsk Leszek Szerepka schrieb in einem Artikel in [der katholischen polnischen Wochenzeitung] „Tygodnik Powszechny“, dass „das gegenwärtige System, das dem Staat ein reiches Instrumentarium von Kontrolle und Einfluss auf die Religionsgemeinschaften garantiert“, den belarussischen Leader völlig befriedigt.

Die katholische Kirche hat reichlich Erfahrung im Funktionieren in autoritären Regimes. Unter den Bedingungen endloser öffentlicher Provokationen vermochte Erzbischof Kondrusiewicz die Einbeziehung in die Spiele der Führung zu vermeiden. Im Jahr 2007 erklärte Vizepremierminister Aleksandr Kosinec, dass binnen vier Jahren in Belarus keine ausländischen Geistlichen mehr sein werden. Nichtsdestotrotz arbeiten weiterhin polnische Geistliche im belarussischen Staat. Möglicherweise wirkt die katholische „Hinterzimmer-Diplomatie“ [russ. koridornaja diplomatija] unwürdig, aber sie beweist ihre Effizienz.


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