„Sei standhaft, duldsam und verschwiegen!“ Tschaika und das Schweigen als kriminelles Ideal
Reaktionen von Kabanow, Tschaika und Nawalny auf die Ermittlungen des "Fonds zur Korruptionsbekämpfung"
Quellen:
Interview mit Kirill Kabonov, 3.12.2015.
Antworten von Tschaika und Nawalny, 14.12.2015.
Tamisdat hat bereits einen Großteil der privaten Ermittlungen gegen den russischen Generalstaatsanwalt (notabene das höchste Amt der russischen Judikative) Juri Tschaika übersetzt und publiziert. Die Vorwürfe wiegen schwer, die Authentizität des umfangreichen inkriminierenden Quellenmaterials ist im Wesentlichen kaum zu bestreiten.
Wir erinnern uns: es geht dabei um Protektion krimineller Umtriebe, Kooperation mit verurteilten Schwerverbrechern, widerrechtliche Inbesitznahme staatlicher Unternehmen, Geldwäsche und nicht zuletzt auch um Mord. Sowohl die Söhne des Generalstaatsanwalts als auch weitere hochrangige oder lokale Staatsanwälte und Beamte sind darin verwickelt.
Die Ergebnisse der Ermittlung hat der von Alexei Nawalny ins Leben gerufene „Fonds zu Korruptionsbekämpfung“ am 1. Dezember 2015 sowohl schriftlich als auch mittels eines etwa 40-minütigen Films (englische Untertitel verfügbar) publik gemacht.
Die Tragik russischer Verhältnis besteht nun darin, dass selbst die verbliebenen Idealisten des Landes dem grassierenden, verpflichtenden Fatalismus verfallen sind. Nicht einmal die Ermittler selbst haben mit einer wahrhaftigen staatlichen Reaktion auf ihre erschütternden Erkenntnisse gerechnet. Das nihil admirari ist die letzte Raison d’être Russlands.
Die Rezeptur im Umgang mit ans Licht der Öffentlichkeit getretenen staatlichen Missständen ist seit Menschengedenken dieselbe. Sie ist gewissermaßen universal und hat sich nicht nur in Russland bewährt. Die wichtigste Ingredienz: standhaftes Beschweigen.
Was lehren uns doch die holden Knaben in Mozarts Zauberflöte: „Sei standhaft, duldsam und verschwiegen!“ Dem hehren stoisch-humanistischen Ideal huldigen auch Schurken.
Während in den vergangenen zwei Wochen mehr als drei Millionen Menschen den Youtubefilm gesehen haben und tatsächlich so etwas wie Empörung im Lande aufkam, schwieg der wetterfeste Kreml beharrlich.
Zwei Tage nach der Veröffentlichung wandte sich die Journalistin Irina Tumakowa an Kirill Kabanow. Dieser ist Vorsitzender des Nationalen Antikorruptionskomitees. Sein Land rangiert seit Jahren unverändert auf den hintersten Plätzen im Korruptionswahrnehmungsindex, 2014 auf dem 136. von insgesamt 174 erfassten Staaten. Jedes halbwegs vernünftige privatwirtschaftliche Unternehmen hätte den Mann wegen völliger Inkompetenz längst fristlos entlassen müssen. Kabanow scheint mit der gegenwärtigen Situation überfordert, seine Antworten sind furchtbar langweilig. Dennoch sei hier zumindest der Anfang des Gesprächs übersetzt:
[Irina Tumakowa:] Kirill Wiktorowitsch, ist eine Reaktion auf Nawalnys Ermittlungen zu gewärtigen?
[Kirill Kabanow:] Ich kann die Fakten nur von einem juristischen Standpunkt aus beurteilen. Juri Tschaikas Sohn ist ein erwachsener, volljähriger Mensch und muss seinen Besitz nicht deklarieren. Was die Verbindung mit der „Zapok-Bande“ anbelangt: das Ermittlungskomitee hat, wie sie sich erinnern, damals ermittelt, als er mit der Generalstaatsanwaltschaft im Konflikt stand. Glauben Sie mir, wenn irgendwelche Schnittstellen zwischen den Zapoks und der Staatsanwaltschaft gefunden worden wären, hätte es bereits damals eine Reaktion gegeben. Selbstverständlich wird es jetzt eine Reaktion geben. Es gab schon eine ähnliche Reaktion auf Schoigu, jetzt wird es eine auf Tschaika geben.
[Sergei Schoigu ist Verteidigungsminister Russlands. Am 27. Oktober 2015 veröffentlichte der „Fonds zur Korruptionsbekämpfung“ Quellen, die belegen, dass er ein Haus im Wert von 18 Millionen Dollar in der Rubljowka, einem Nobelquartier mit extrem hohen Grundstückpreisen bei Moskau, besitzt. Das Grundstück gehört offiziell der Schwester seiner Frau. Viele ranghohe russische Politiker besitzen millionenschwere Immobilien, obwohl sie meist nie in der Privatwirtschaft tätig waren und de jure ein eher bescheidenes Einkommen von ca. 100'000 Dollar jährlich haben. Schoigu hat den Skandal bislang unbeschadet überstanden.]
Warten Sie, was für eine Reaktion soll das sein? Ich sehe eben überhaupt keine Reaktion.
Die Sache ist die, dass es hier gar keine rechtliche Reaktion geben kann. Erinnern Sie sich an Schoigu? Da wurde erklärt, dass die Schwester seiner Frau ein Haus in der Rubljowka habe.
Wie soll man sich nicht daran erinnern.
Nun ja, ein Haus. Und jetzt?
Genau: und jetzt?
Hat die Schwester der Frau eines Ministers nach dem Gesetz kein Recht auf ein Haus in der Rubljowka?
Ja natürlich und der Sohn des Generalstaatsanwalts hat auch ein Recht...
Nein, ich frage sie vom Standpunkt der Gesetzgebung aus.
Das heißt, es braucht hier überhaupt keine Reaktion?
Wenn die rechtswahrenden Organe es für notwendig erachten werden, es zu überprüfen, werden sie es überprüfen, aber was soll es hier für eine Reaktion geben? Wenn wir erfahren würden, dass der Generalstaatsanwalt seinen Besitz nicht deklariert hat oder der Generalstaatsanwalt selbst irgendwohin ins Ausland umzieht, dann stünde der Fall anders.
Na ja. Aber dass sein Sohn beschuldigt wird, fremden Besitz an sich gerissen zu haben und am rätselhaften Tod eines ehemaligen Besitzers beteiligt zu sein, soll auch nur eine Kleinigkeit sein? Hat sich der junge Mann denn ohne die Hilfe seines Vaters, des Staatsanwalts, bereichert?
Leider sind die Kinder von 99 Prozent unserer Beamten in Geschäften [„im Business“] tätig.
Ja, sie haben verblüffend talentierte Kinder.
Wenn Sie eine Liste von ausländischen Politikern zur Hand nehmen, ist es dort genau dasselbe: bei 70 Prozent.
Oi, das ist unser Lieblingsargument: im Westen ist alles noch schlimmer.
Ich sage nicht, dass es dort schlimmer ist. Ich vergleiche lediglich die Situationen.
Die rechtlichen Perspektiven dort sind...
... gar keine. Ja, diese Information erweckt Empörung in der Gesellschaft. Genau darauf wird sie hingelenkt. Aber rechtliche Perspektiven gibt es dort gar keine.
In den Ermittlungen des FBK ist auch die Rede von den Vizes des Generalstaatsanwalts Tschaika: Vermutungen von Verbindungen zur Kuschtschowsker Bande, der „GTA-Bande“, dem Spielgeschäft...
Ja, dann müssen die Vizes überprüft werden.
Von wem?
Von den Organen des FSB, dem Ermittlungskomitee. Die müssen eine Überprüfung vornehmen.
Und werden sie es überprüfen?
Ich weiß es nicht.
Lustig...
Ich sage es ihnen ehrlich: ich weiß es nicht.
Sie sind der Vorsitzende des Antikorruptionskomitees, Mitglied des Rats für Menschenrechte beim Präsidenten. Können Sie die Sache mit dieser Überprüfung nicht irgendwie beschleunigen?
Über kurz oder lang werden wir – und damit meine ich das Antikorruptionskomitee – diese Situation sorgfältig untersuchen und beurteilen. Wenn wir Grundlagen beisammen haben, werden wir es auch zur Sprache bringen.
Jetzt haben sie ja über andere Länder gesprochen. In „anderen Ländern“ würde ein Staatsanwalt auch bei geringfügigeren Beschuldigungen zurücktreten.
Ich kann Ihnen das Beispiel eines Skandals in Frankreich geben. Da wurden zuerst auch diskreditierende Geschichten über Beamte in die Welt gesetzt, eine Überprüfung zeigte aber, dass sie von politischen Gegnern absichtlich zur Diskreditierung verbreitet worden waren. Dort gelten folgende Mechanismen: wenn es eine rechtliche Grundlage gibt, folgen auch Untersuchungen, unter anderem vom Parlament.
Die Namen dieser französischen Beamten nennen Sie nicht?
Ich kann mich gerade nicht daran erinnern. Ich müsste nachschauen.
Ich gebe auch ein Beispiel: Christian Wulff, ehemaliger [Bundes]präsident von Deutschland. Er trat nach der Veröffentlichung einer Kleinigkeit zurück: er hat angeblich Geld nicht bei einer Bank, sondern bei einem Bekannten geliehen. Die Ermittlung bewies, dass keine Korruption vorlag. Die Karriere des Mannes war aber beendet.
Na, er trat zurück. Und jetzt?
Eben: wenn Tschaika zurückgetreten wäre, gäbe es ebendieses „und jetzt“.
Ich habe mein eigenes Verständnis davon, woher man diese Dokumente erhalten hat. Ich will nur nicht darüber sprechen.
Wenn die Dokumente vertrauenswürdig sind, was macht es dann für einen Unterschied, woher man sie erhalten hat?
Einen großen Unterschied. Das hat damit zu tun, dass eine stichprobenartige Einreichung von derartigen Dokumenten, die Figuren betreffen, die konkrete Funktionen im Staat ausüben, eine ein bisschen andere Geschichte ist. Ich habe immer gesagt und werde auch in Zukunft sagen: man darf den wirklichen Widerstand gegen die Korruption, die Bekämpfung der Korruption nicht mit politischen Zielen vermischen.
Aber Kirill Wiktorowitsch, was denn für ein Unterschied, wenn doch die Fakten...
Jetzt hören Sie mir mal zu. Mein heute seliger Freund Jura Schtschekotschichin [Jurij Petrovič Ščekočichin, russischer Politiker und Journalist, 2003 unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen] hat immer gesagt, dass man objektiv sein soll. Sobald Politik ins Spiel kam, schimpfte er und ging weg. Um objektiv zu sein, darf man nicht nur richten, sondern muss die Sache juristisch beurteilen. Ich konnte schon oft eine Information, die aus verschiedenen Quellen zu mir gelangt war, preisgeben, aber ich verstehe, dass man ihre Glaubwürdigkeit überprüfen muss. Man muss die juristischen Folgen verstehen. Einfach so: nehmen und geben wir’s preis... Das ist falsch.
Gut, jemand hat sie preisgegeben...
Nicht irgendjemand, ich weiss genau, wer es war.
Und wer? Können Sie das sagen?
Wozu auch? Ich werde diese Frage jetzt mit den Kollegen besprechen. Wir werden uns überlegen, wie darauf zu reagieren ist und ob man überhaupt reagieren soll.
Ich will es ihnen ehrlich sagen: Sie und ihren Ruf kennend, habe ich eine ganz andere Reaktion von Ihnen erwartet. Andere Worte.
Ich halte ja eben meinen Ruf hoch. Die letzten zwei, drei Skandale haben mich gezwungen, bei diesen Ermittlungen zu resignieren, das heißt ich verstehe die Emotionen durchaus, betrachte das ganze jedoch von einem professionellen Standpunkt aus. Mit Bekämpfung von Korruption hat das leider nicht das Geringste zu tun.
Aber was ist das denn sonst, wenn nicht Bekämpfung von Korruption?
Einfach allgemeine Empörung zu erwecken, betrifft öffentlich-politische Emotionen. Wenn wir beispielsweise einen Gouverneur überprüfen, klären wir, solange wir keine rechtliche Grundlage finden, in keinem Fall etwas auf.
Sie haben aber auch eine ganz andere Funktion! Der FBK ist kein staatliches Organ, sie sind dort keine Rechtshüter. Sie veröffentlichen Fakten – bitte, korrigieren Sie, widerlegen Sie!
Ich führe für Sie ein Beispiel an: Die Rede ist von einem Gouverneur. Sein Sohn leitet ein Heimatmuseum. Er erhält sein Geld vom Staat. Als das jemand herausgefunden hat, wurde plötzlich geschrien: „Da! Ein Interessenkonflikt!“ All das wird in der Verwaltung f
ehört der Verteidigungsminister bei uns nicht zur Regierung?zum Schluss. Wenn man mir jetzt sagen würde, dass neue Informationeür Innenpolitik der Präsidialverwaltung unterschrieben.
[...]
So geht das noch eine Weile hin und her. Das Argumentarium Kabanows ist erbärmlich. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf folgende Ausflüchte:
Die Ermittlungen betreffen vor allem die Söhne des Generalstaatsanwalts und nicht Juri Tschaika selbst. Jene sind in der Privatwirtschaft tätig und deswegen ist es ihnen auch nicht verboten, teure Häuser zu kaufen, Konten in der Schweiz zu eröffnen etc.
Die privaten Ermittlungen sind eine politisch motivierte Verschwörung und deswegen keiner Überprüfung würdig.
Hinter den Ermittlungen steckt ein mächtiger Auftraggeber, den Kabanow aber nicht namentlich nennen will. Vielleicht hatte man sich zu dieser Zeit einfach noch auf keinen definitiven Sündenbock festgelegt. (Chodorkowski beispielsweise wäre derzeit ja wieder en vogue...)
Die konspirativen, unlauteren Ermittlungen appellieren nur an die Emotionen, diese dürfen aber keine Rolle bei einer juristisch fundierten Untersuchung spielen. Für eine „objektive“ Beurteilung benötigt man mehr Zeit.
Die Kompetenzverteilung in der russischen Verwaltung ist komplex.
Im Westen ist es auch nicht besser.
Dass man einer Verschwörung am besten möglichst rasch mit einer gründlichen Widerlegung begegnet, bedenken Kabanow und seine Mitstreiter augenscheinlich nicht.
Kabanows diffuse Aussagen ließen schon erahnen, worauf das Ganze hinauslaufen wird.
Gestern hat sich der Hauptangeklagte Juri Tschaika nun endlich mit langatmigen, verschachtelten Sätzen gegenüber der Zeitung „Kommersant“ selbst zu Wort gemeldet und den obskuren, im Raum stehenden „Drahtzieher“ hinter den Ermittlungen genannt. Wie schon Kabanows Sentenzen sind seine Äußerungen ziemlich langweilig und zur Redundanz neigend und werden hier vorerst nur teilweise übersetzt. Die Auszüge vermittelt ein hinreichendes Bild von der paranoiden Weltanschauung des Staatsanwalts.
Tschaika repetiert zunächst die verschwörungsideologischen Ansätze Kabanows:
Als Antwort auf Ihre Eingabe [i.e. der Zeitung „Kommersant] möchte ich folgende Überlegungen mitteilen:
Der Film, der angeblich vom Fonds A. Nawalnys gedreht worden ist, hat keinen starken Eindruck auf mich gemacht. Ich will anmerken, dass ich in keinem seiner Sujets als handelnde Figur vorkomme. Ich denke, dass das von den Auftraggebern auch so beabsichtigt worden ist (ich bin sicher, dass A. Nawalny nicht selber Auftraggeber des Films ist): mich und die Staatsanwaltschaft anzuschwärzen, ohne irgendwelche Fakten zu zeigen, die meine Handlungen und Entscheidungen betreffen.
Ich habe bereits versprochen, diese Auftraggeber beim Namen zu nennen, und werde das auch tun. Ich bin überzeugt, dass A. Nawalny in dieser Geschichte eine überaus bescheidene Rolle gespielt hat. Alle Schöpfer des vorliegenden Films sind bekannt, aber sie sind nur die Vollstrecker eines grosszügig bezahlten Auftrags zu seiner Aufbereitung. Die Aufnahmen, der Schnitt, die Dienstreisen, unter anderem ins Ausland, und die Vertonung des Films haben zweifellos viel Zeit und Geld beansprucht. Deswegen verengt sich der Kreis der Auftraggeber. Man muss sie unter den Leuten suchen, die über grosse finanzielle Möglichkeiten verfügen und dabei allgemein unser Land und insbesondere die russische Staatsanwaltschaft hassen und um jeden Preis danach streben, die von uns gemeinsam mit anderen rechtswahrenden Organen angestrengten Überprüfungen und Ermittlungen aufzuhalten. Wenn ich im Amt des Staatsanwalts nichts täte und niemanden störte, so bin ich sicher, gäbe es niemanden, der so viel Geld für seine Erstellung [des Filmes] ausgegeben hätte.“
Nun gut. Der Mann ist bemüht, integer und beflissen seiner Tätigkeit als oberster Richter des Landes nachzugehen und schafft sich so leider mächtige Feinde. Ein einigermaßen professionell gemachter Dokumentarfilm scheint in seiner Vorstellung gleich mehrere Millionen Dollar zu verschlingen und nur ein Multimillionär kann so etwas finanzieren.
Über die Vorwürfe schweigt er, dafür beschwört er umso lauter die allseits beliebte, stets antiamerikanistisch grundgestimmte Verschwörungstheorie des von Feinden umzingelten Heimatlandes, die Russland bis aufs Blut hassen und nichts besseres zu tun haben, als es ständig mit Schmutz zu bewerfen.
Mit den Verschwörungstheorien ist es so eine Sache: sie sind eine recht zähe Speise, ihre Persistenz ist erschütternd und sie lassen sich jahrelang wiederkäuen.
Die hier mit stupender Chuzpe und Larmoyanz vorgetragene Theorie ist ein alter Hut. Nachdem sich Tschaika noch einige Zeilen lang über NGOs und die USA beschwert, nennt er endlich den Namen des finsteren „Feindes Russlands“:
Im Jahre 2004 haben die rechtswahrenden Organe der Russischen Föderation gegen die verbrecherischen Pläne der Entwendung von enormen Geldmitteln aus Russland im Zeitraum von 1996 bis 2006 ermittelt, deren Ideologen US-amerikanische Geheimdienste sind und als deren Organisator ein US-amerikanischer Bürger auftrat, der heute britischer Staatsangehöriger ist: W. Browder.
In Folge der beabsichtigten Spezialoperation, der anschliessenden Handlungen von Browder und den ihm unterstehenden Personen im erwähnten Zeitraum wurden in unserem Land etliche fiktive Unternehmen mit dem Ziel der Überwindung des durch einen Ukas des Präsidenten der Russischen Föderation erlassenen Verbots des Ankaufs von Aktien russischer Unternehmen durch Devisenausländer und des illegalen Ankaufs von Aktien der PAO „Gazprom“ registriert.
[...]
Alle genannten Ereignisse hatten kriminell erworbene Dividenden von Milliarden von Rubel in Offshore-Finanzplätzen, die Nichtzahlung von Steuern und den vorsätzlichen Bankrott von Unternehmen zur Folge.
Der kriminelle Höhepunkt der Umtriebe von W. Browders Gruppierung war die Realisierung eines Plans, mit dem jene mehr als 5 Milliarden Rubel aus dem russischen Etat entwendet hat. Die Verantwortung dafür versucht er auf jede Art und Weise auf russische Beamte abzuwälzen.
William „Bill“ Browder und die USA sollen also hinter den Ermittlungen stecken: Browder, einer der schillerndsten Gegner des Kreml, „Putins Staatsfeind Nr. 1“, wie ihn die deutsche Übersetzung seines dieses Jahr erschienenen Buches „Red Notice. A True Story of High Finance, Murder, and One Man’s Fight for Justice“ nennt, ein waschechter Kapitalist, der mit seiner Investorenfirma „Hermitage Capital Management“ seit 1996 gewaltigen Reibach in Russland gemacht, die Behörden dabei zunehmend verärgert hat und gegen den seit 2005 emsig prozessiert wird. Die Vorwürfe sind eigentlich immer dieselben, Tschaika entblödet sich aber nicht, sie in seiner „Antwort“ noch einmal des Langen und Breiten zu erörtern. Zum Schluss resümiert er noch einmal seine krude Theorie von „schwarzer PR“, die gegen ihn geführt wird:
Umso wichtiger ist es, die Ziele all dieser schwarzen PR zu nennen.
Ziel Nr. 1: Die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation zu diskreditieren, ein Organ, das zur internationalen Zusammenarbeit im Gebiet eines strafrechtlicher Gerichtsverfahrens bevollmächtigt ist, damit wir der Hilfe unserer Kollegen verlustig gehen, ohne die wir die Endpunkte aller finanziellen Pläne Browders nicht verfolgen können, die ins Ausland verlagert worden sind. Selbst den Fakt einer Ermittlung zu diskreditieren, damit wir das wahre Gesicht Browders nicht zeigen können – dasjenige eines internationalen Gauners, Betrügers und Verbrechers.
Ziel Nr. 2: Die derzeit erfolgende aktive Phase der Ermittlung maximal zu beschmutzen, indem man aus der Struktur ihres Initiators etwas untersucht, oder das Verfahren besser überhaupt zu begraben.
Zu guter Letzt gibt es ein globales Ziel: den Generalstaatsanwalt Russlands und seine untergeordneten regionalen Leiter zu kompromittieren und unser Land von neuem als Partner darzustellen, mit dem man besser nichts zu tun hat, als Land, das zurecht mit wirtschaftlichen und sonstigen Sanktionen belegt worden ist.
Von diesem Standpunkt aus kann ich meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass es die Auftraggeber des Films nicht dabei beruhen lassen werden.
Ich glaube aber an die Gerechtigkeit. Ich bin überzeugt, dass die von uns durchgeführten Ermittlungen abgeschlossen und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.
Was ist jetzt mit den Vorwürfen?
Alexei Nawalny hat die „Anwort“ des Gerechtigkeitsfanatikers Tschaika bereits kommentiert:
Ich bin sehr enttäuscht. Selbstverständlich ist es für die russischen Behörden nach dem Tode Beresowskis schwierig geworden, weil sie ihn nicht mehr als Auftraggeber von allem, was ihnen nicht behagt, beschuldigen können. Aber Browder? Wie in aller Welt ist man gerade auf Browder gekommen? Wir haben erwartet, dass man in der Generalstaatsanwaltschaft die Aufmerksamkeit von sich ablenken und sich einen Auftraggeber ausdenken wird, ich bin aber überrascht, dass ausgerechnet er ausgesucht worden ist. Ich kann sagen, dass uns Browder nicht interessiert und wir nicht verstehen, warum er angesichts einer Verbindung zwischen Verwandten der Generalstaatsanwaltschaftsvorstehenden und der „Zapok-Bande“ beigezogen wird.
Wir haben verbrecherische Begebenheiten ermittelt, die unter anderem von den Söhnen Juri Tschaikas begangen worden sind, und diese Verbrechen waren nur dank der Protektion ebendieses Generalstaatsanwalts möglich. Wir haben keinerlei Zweifel, dass die kriminellen Geschäfte, die die Frauen von Zapok und Zepowjas zusammen mit den Frauen der Vize-Generalstaatsanwälte Lopatin und Starowerow betrieben haben, ohne eine solche Protektion nicht durchgeführt werden konnten. Die Rolle Juri Tschaikas ist für uns ganz klar, wir fordern nach wie vor eine aussagekräftige Antwort auf jeden einzelnen Punkt unserer Ermittlung, seinen Rücktritt und eine objektive Untersuchung.
Juri Tschaika ist auf keinen einzigen Anklagepunkt auch nur ansatzweise eingegangen.
Der Rest ist vorerst Schweigen.