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Tschaika. Ein Kriminaldrama in fünf Akten.

Bei der folgenden Übersetzung handelt es sich um die ersten beiden, einen Teil des dritten und die Zusammenfassung der letzten beiden Kapitel einer grossangelegten Ermittlung des "Fonds zur Korruptionsbekämpfung" von Alexei Nawalny. Die Ermittlung weist diverse Vergehen der Familie des Generalstaatsanwalts der Russischen Föderation, Juri Tschaika, nach. Das durch kriminell-mafiöse Umtriebe erworbene Geld wurde in der Schweiz, namentlich den Kantonen Waadt und Genf, gewaschen.

Die weiteren "Akte" werden sukzessive übersetzt.

Weitere Berichte in deutscher Sprache:

ferner:

Quelle: https://chaika.navalny.com/(mit Fotografien und Digitalisaten von Quellenmaterial)

Übersetzung: Marius Roth, Dezember 2015.

1. Griechenland

Nach einem zehnmonatigen Umbau öffnete im Mai 2014 auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki ein neues Hotel seine Pforten: das „Pomegranate“. Allein schon für den Umbau hatten Investoren 25 bis 29 Millionen Euro aufgewendet. Das Gasthaus braucht den Vergleich mit Fünfsternhotels nicht zu scheuen – es gilt als das beste auf der Halbinsel.

Die Eröffnung des Hotels wurde von einer unerhört prunkvollen Feierlichkeit begleitet. Es gab ein Konzert, einen Salut, ein Orchester und eine Lasershow, vor allem aber verwunderte die Gästeliste: An der Eröffnungszeremonie nahm nicht nur die gesamte griechische Elite von örtlichen Beamten bis zu Showstars teil, sondern auch eine Menge russischer Gäste.

Der überraschendste Gast war der Kulturminister der Russischen Föderation, Wladimir Medinski. Er war eigens nach Griechenland gekommen und hielt auf der Bühne eine feierliche Rede. Der Minister sprach von der russisch-griechischen Freundschaft, wünschte den Investoren viel Erfolg und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass im Hotel die offiziellen Veranstaltungen zum Jahr der Kultur Russlands in Griechenland stattfinden werden.

Nicht nur die Gäste verliehen der Eröffnungszeremonie ein russische Kolorit: Tatsächlich wurden die gesamte Apparatur, die Organisatoren, das Show-Ballett und sogar die Hostessen mit einem Charter der „Gaspromawia“ aus Russland eingeflogen.

Der Höhepunkt des Abends war eine Lichtshow mit einem weiteren unerwartet patriotischen Akzent: Auf die Hotelwände wurde eine gigantische russische Flagge projiziert.

Es stellt sich nun die Frage: Wem gehört dieses luxuriöse Hotel? Wer ist dieser geheimnisvolle Investor, der allein für den Umbau einige zehn Millionen Euro aufgeworfen hat? Wem hat der russische Kulturminister auf der Bühne gratuliert?

Der geheimnisvolle Investor entpuppte sich als Artjom Jurjewitsch Tschaika. [Porträt]

Dieses Rätsel zu lösen, war tatsächlich sehr schwierig. In der russischen Medien gibt es kein einziges Foto des älteren Generalstaatsanwaltssohnes – aber genau so sieht Artjom aus, über dessen enorme Erfolge Sie schon lesen konnten, wenn Sie sich für die Geschäfte der Kinder ranghoher Eltern interessieren. Falls Sie nichts von den geschäftlichen Erfolgen gehört haben, dann wissen Sie höchstwahrscheinlich vom „Spielfall“, im Zuge dessen gegen Artjom Tschaika ausgesagt worden ist (angeblich hat er ein Untergrundkasino protegiert). Na und wenn Sie auch vom Kasino nichts wissen, dann haben Sie vielleicht die Geschichte gehört, wie er zwei Inguschen eine Vollmacht für ein väterliches Auto erteilt hat. Die beiden wurden darin mit einem Haufen Waffen und Drogen festgenommen. Artjom ist es damals nur dank den Bemühungen des Vaters gelungen, ungeschoren davonzukommen. Kurzum: Wie sie sehen, hat der Generalstaatsanwalt einen reichlich schillernden Sohn.

Bei der Eröffnung des „Pomegranate“ war Artjom selbstverständlich zugegen und hat sogar das Band durchschnitten.

Dass er das Hotel besitzt, bestätigt ein Unternehmensauszug, wo das Hotel seinen Besitz auflistet (auf Seite 7 ist der Nachname „Chayka“ vermerkt), und die Rechnungslegung des Unternehmens mit den Unterschriften von Artjom und einer gewissen Olga Lopatina, über die wir ein wenig später berichtet werden.

Auf den ersten Blick scheint es, dass beim Erwerb des Hotels alles mit rechten Dingen zugegangen ist, die Wurzel des Übels liegt aber in der Herkunft der Mittel, mit denen es gekauft worden ist. Artjom und Igor Tschaika haben zig Millionen Dollar in enger Zusammenarbeit mit Freunden und Untergebenen ihres Vaters verdient – des Generalstaatsanwalts Russlands, Juri Tschaika. Seit mehr als 15 Jahren kontrollieren sie bereits legale und illegale Unternehmen in ganz Russland und profitieren von diesem Ertrag, indem sie damit jede beliebige Investition tätigen können.

Die Figuren unserer Ermittlung geben an, dass sie "Geschäfte" betreiben, gleichwohl werden wir Ihnen beweisen: von "Geschäften" kann hier keine Rede sein. Es handelt sich dabei um Banditentum, Corporate Raid und Schutzgelderpressung, was nur dank unermesslichen Korruptionsressourcen und der Schirmherrschaft durch die Generalstaatsanwaltschaft möglich ist.

Wie wir schon erwähnt haben, ist der zweite Eigentümer des Hotels „Pomegranate“ Olga Lopatina. Sie verdient in dieser Geschichte keine geringere Beachtung:

„2. LOPATINA OLGA TOY ALEXEI, επιχειρηματίας, γεν-

νηθείς εις Ρωσία, το 1963, Ρωσίδα υπήκοος, κάτοικος

Ρωσίας, με ΑΦΜ [...] και αριθμό Ρωσικού διαβα-

τηρίου [...], ως Αντιπρόεδρος.“

[„2. Lopatina Olga, [Tochter des] Alexei, Unternehmerin, geboren

in Russland 1963, russische Staatsangehörige, wohnhaft in

Russland, mit Steuer-Identifikationsnummer [...] und Russischer Passnummer

[...], als Vizepräsidentin.“]

Olga Alexejewna Lopatina ist 52 Jahre alt, sie stammt aus Russland. Auf diesen Fotografien zerschneidet sie zusammen mit Artjom Tschaika, dem Verwalter des Hotels und örtlichen Beamten dasselbe Band an der Eröffnungszeremonie des Hotels.

Diese auf den ersten Blick recht merkwürdige Partnerschaft ist einfach zu erklären. Olga Lopatina ist die Exfrau von Gennadi Lopatin, dem Vize des Generalstaatsanwalts Juri Tschaika. Abgesehen von diesem hohen Amt wurde Lopatin berühmt dafür, dass er seinen Posten in der Staatsanwaltschaft auch dann behalten hat, als gegen ihn gleich mehrere Figuren im Fall „Schutzgelderpressung eines Kasinos in der Oblast Moskau“ ausgesagt haben. Er hat angeblich das Spielautomatennetzwerk „Vulkan“ protegiert, das im Untergrund tätig war.

Das Ehepaar Lopatin hat sich vor relativ Kurzem scheiden lassen – zumindest ist die Spalte „Ehefrau“ aus der Steuererklärung des Tschaika-Vize nach 2011 verschwunden. Auf der Internetseite der Staatsanwaltschaft sind genügend alte Deklarationen erhalten, um ein vollständiges Bild zu erhalten.

In der Erklärung von 2011 (der letzten, wo sie aufgeführt ist) hat Olga Lopatina ein absehbares Einkommen von 0 Rubel und 0 Kopeken.

Die vorangegangenen Jahre waren für Lopatina von einem finanziellen Gesichtspunkt aus weitaus erfolgreicher: 2009 und 2010 hat sie etwa 9 Millionen Rubel [damals ca. 200'000 EUR] deklariert. Ferner verfügt sie über einige Grundstücke und ein Haus im Bau – nichts davon ist übrigens bei der Scheidung von Lopatin abhandengekommen.

Es will nicht ganz einleuchten, woher die Frau des Vize-Generalstaatsanwalts, die nach letzten Angaben nicht berufstätig ist, Geld für den Kauf und den Umbau eines Hotels in Griechenland haben soll. Wir sind dem auf den Grund gegangen und waren auf alles Mögliche vorbereitet – von einer Verbindung mit dem Untergrundkasino bis hin zu Milliardenstaatsverträgen –, fanden aber folgendes:

Olga Lopatina ist [zu 25%] Miteigentümerin des Unternehmens „Kuban-Zucker“ („Sachar Kubani“) – zusammen mit den Ehefrauen der beiden Kuschtschowsker Banditen Sergei Zapok und Wjatscheslaw Zepowjas. Letztere sind lebenslänglich und zu zwanzig Jahren für die besonders grausame Ermordung von zwölf Menschen, unter denen sich vier Kinder befunden haben, verurteilt worden. [Kuschtschowskaja Massaker am 4. November 2010]

Das ist nun wirklich schwer zu glauben. Ehrlich gesagt haben wir alle möglichen Auszüge und Daten Millionen Male überprüft – es stimmte alles überein: die Namen, die einmaligen Nummern, die Adressen. Die ganze Geschichte schien völlig absurd, aber wenn es Ihnen unwahrscheinlich erscheint, dass die (damals noch offizielle) Frau des Vize-Generalstaatsanwalts mit Vertreterinnen einer der blutigsten kriminellen Vereinigungen Russlands gemeinsame Sache machen kann, so sollten Sie wissen: das ist noch lange nicht alles.

Die vierte Miteigentümerin der GmbH „Kuban-Zucker“ ist Nadeschda Starowerowa [Nadežda Staroverova], die Frau eines anderen ranghohen Beamten der Staatsanwaltschaft, Alexei Starowerow [Aleksej Staroverov].

Starowerow stand bis November 2014 der Staatsanwaltschaft als Geschäftsführer vor und wurde dann „einstweilig abgesetzt“, weil nach dem Willen des Geschicks in seinem Eigenheim bei Moskau die „GTA-Bande“ entdeckt worden war – Banditen, die 14 Menschen an Autobahnen um Moskau getötet und ausgeraubt hatten. In seinem Haus (oder dem Haus eines Verwandten, wie später berichtet wurde) wurde auch ein Lager mit Waffen und Munition ausgehoben. Die Anführer der Bande arbeiteten dort als „Wachen und Diener“.

Ein kurzer und langweiliger Auszug aus dem Handelsregister enthält die Antworten auf sehr wichtige Fragen darüber, wie es der „Zapok-Bande“ gelungen ist, einen grossen Teil der Region [russ. kraj] Krasnodar zu kontrollieren und in Angst und Schrecken zu halten, wie diese Leute in den Besitz von tausend Hektar Land und Millionen von Dollars gekommen sind und auch warum sie bis zum Massenmord stets straffrei bleiben konnten. Die blosse Tatsache ihres Bestehens verdankt die „Zapok-Bande“ der Protektion hoher Beamter in der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation. Von welchen Ermittlungen kann denn die Rede sein, wenn die Frauen von Staatsanwälten mit den Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung von Dieben und Mördern gemeinsame Sache machen?

Ein konkretes dokumentiertes Beispiel dieser Protektion hat die „Nowaja Gaseta“ veröffentlicht.

2009 hat der Ermittlungsausschuss versucht, ein Verfahren gegen Sergej Zapok wegen einer Prügelattacke und der Beleidigung eines Polizeimitarbeiters einzuleiten. Im Text der Verfügung steht geschrieben, dass Zapok einen Polizisten furchtbar beschimpft und geschlagen hat. Der Vorfall ereignete sich beim Eingang zur Geschäftsstelle Zapoks in der Staniza [urspr. Kosakensiedlung] Kuschtschowskaja, welche die Frauen der Staatsanwälte Lopatin und Starowerow gemeinsam mit den Frauen der Banditen Zapok und Zepowjas besitzen. Wen und wie kann Juri Tschaika entlassen, wenn die Frau seines Vizes mit Artjom Tschaika, Zapok und Zepowjas zusammenarbeitet?

4 Tage nach der Verfügung, ein Strafverfahren einzuleiten, wurde dieses durch die persönliche Unterschrift des Staatsanwalts der Region Krasnodar, Leonid Korschinek (Leonid Koržinek), eingestellt.

Somit hat ein weiterer Staatsanwalt (im Rang eines Generals) und enger Freund Juri Tschaikas de facto bestätigt, dass die Zapoks unantastbar sind und tun und lassen können, was sie wollen. Später wurde der Staatsanwalt Krasnodars Korschinek mehrfach der Protektion der „Zapok-Bande“ beschuldigt, das hat ihn aber in keinster Weise daran gehindert, seinen Posten bis zum heutigen Tage zu behalten.

Diese Standhaftigkeit des Staatsanwalts Korschinek erklärt sich durch die unmittelbare Nähe zur Familie Tschaika. Die Beraterin des Generalstaatsanwalts, die 71-jährige Albina Kowalewa [Al’bina Kovaleva], nennt Korschinek „ihren Beamten“, unter ihrer Ägide hat er lange in Irkutsk gearbeitet. Diese Frau wiederum nennt Artjom Tschaika in der Öffentlichkeit „seine Mutter“. Frau Kowalewa müssen Sie sich unbedingt merken, wir werden noch oftmals auf sie zurückkommen.

Griechische Villen

Von den Zapoks kehren wir wieder nach Griechenland zurück.

Dass Tschaika der Besitzer des Hotels ist, ist ein offenes Geheimnis – sogar die Taxifahrer in Saloniki erzählen mit Freuden, dass ein russischer Geschäftsmann hier ein Hotel gekauft hat. In den griechischen Flurbüchern lassen sich aber noch weitaus mehr Einzelheiten über die Interessen der Familie und der Freunde des Generalstaatsanwalts in Griechenland finden.

Im benachbarten „Finger“ der Halbinsel Chalkidiki entsteht ein prachtvolles Gebäude. Dort, direkt am Meeresufer, wird eine verglichen mit einheimischen Vorstellungen riesige Villa errichtet. Direkt am Strand sind Bagger am Werk, die ein kunstvolles Relief aufschütten, und die meisten Arbeiter gestalten ein bereits bestehendes Haus zu einem noch pompöseren um.

Obwohl man von der daran vorbeiführenden Strasse aus überhaupt nichts sehen kann, erkennt man das Gebäude vom Strand aus weitaus besser. Man kann erkennen, dass auf dem Grundstück sogar eine einzigartige Akropolis-Laube gebaut worden ist. Das Haus steht direkt am Meeresufer und von ihm (wie von der Akropolis) aus bietet sich einem ein wunderbarer Ausblick auf Athos.

Wir beschreiben diese Villa nicht zufällig. Sie gehört Artjom Tschaika.

Die Bodendokumente sind öffentlich zugänglich, die Koordinaten des Grundstücks sind sehr genau aufgeführt, man kann alles auf der Karte überprüfen. Die Bauarbeiten obliegen einem Unternehmen, das dem Verwalter des Hotels „Pomegranate“ gehört.

Die Nähe zum Berg Athos ist für die Tschaikas offensichtlich besonders wichtig. Juri Tschaika fährt beinahe jährlich dorthin, um sich „geistig aufzuladen“ und lebt sogar mit Artjoms Bruder Igor in einer Zelle. Jetzt kann man nach der Zelle bequem zur Artjom fahren.

„Sooft es mir meine Arbeit erlaubt, halte ich mich auf dem Heiligen Berg Athos auf. Wenn man so sagen darf, lade ich mich dort geistig auf.“

Juri Tschaika, Interview in der „Rossiskaja Gaseta“, 2006.

„Wenn ich auch noch so kurzen Urlaub habe, besuche ich unbedingt Athos. Man kann diesen Ort nicht beschreiben, man muss dort gewesen sein. Meiner Überzeugung nach ist es für jeden orthodoxen Menschen unabdingbar, zum heiligen Ort zu fahren. Dort lädst du dich geistig auf, verstehst klarer, was in diesem Leben wirklich wertvoll ist.“

Juri Tschaika, Interview in der „Rossiskaja Gaseta“, 2010.

„Ich hatte dieses Jahr einen grossartigen Urlaub. Ich habe schon lange davon geträumt, Athos zu besuchen – das Zentrum der weltweiten Orthodoxie in Griechenland. Das Ganze ist ein Staat im Staat – ein Kloster. Es gibt da auch unser russisches Kloster des Heiligen Pantaleon [besser bekannt als Rossikon]. Dort geschehen so fantastische Dinge! Es ist schwierig, davon zu erzählen, man muss es spüren. Ich bin mit meinem jüngsten Sohn dorthin gefahren, habe in einer Zelle gewohnt... Dort herrscht ein ganz anderer Seelenzustand, eine andere Wahrnehmung der Welt, wenn sie so wollen."

Juri Tschaika, Interview im „Moskowski Komsomolez“, 2010.

Es war ein Glücksfall für uns, dass das Bauunternehmen, welches das Tschaika-Haus errichtet, auf der Internetseite eine grosse Auswahl seiner Arbeiten präsentiert. Dort kann man zum Beispiel die Villa Artjoms vor dem Umbau und auch viele Fotos vom Ausbau des Hotels „Pomegranate“ finden. Dort gibt es aber noch eine gewisse Villa Nr. 2.

Die Mehrheit der auf der Seite geposteten Fotos zeigen äusserst merkwürdiges Interieur: Marmor, Glasmalereien, Gold, riesige Kronleuchter und Möbel im Louis-quatorze-Stil.

Diese Villa gehört der uns bereits bekannten Olga Lopatina, Exfrau des Vize-Generalstaatsanwalts der Russischen Föderation und Miteigentümerin des Hotels „Pomegranate“. Sie liegt nicht weit entfernt von der Villa der Tschaikas.

Muss man noch sagen, dass das deklarierte Einkommen Lopatinas von 18 Millionen Rubel [ca. 450'000 EUR] in 3 Jahren nie und nimmer gereicht hätte, um so eine Villa zu kaufen und umzubauen?

Für die charakteristische Innenausstattung der Villa gibt es eine Erklärung. Olga Lopatina gehört in Woronesch noch ein weiteres Unternehmen (diesmal ohne Beteiligung der Zapoks), welches Interieur mit Marmor und Stein veredelt. Auf Facebook und VKontakte postet das Unternehmen „MarmorOle“ öffentlich Fotos sogenannter „Designprojekte“. Zum Vergleich: links eine Interieurlösung der „MarmoOle“-Site, rechts ein Foto aus dem Haus Lopatinas in Griechenland. [Bilder] Offensichtlich ersinnt die talentierte Unternehmerin, Freundin der Zapoks und Exfrau des Vize-Generalstaatsanwalts Olga Lopatina ihr Interieur mit all diesen Monogrammen und Marmorschnörkeln selbst.

Zuletzt gilt es noch, die Aufmerksamkeit auf die familiäre Lage der Lopatins zu richten. Es gibt Gründe (wenn auch indirekte) zur Annahme, dass die ab 2011 dokumentierte Scheidung nur fingiert worden ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Vize-Generalstaatsanwalt die Villa und das Hotel in Griechenland nicht deklarieren wollte und so eine originelle Methode gefunden hat, sich davor zu drücken. Auf Fotos von 2014 ist an der rechten Hand Olga Lopatinas der Verlobungsring zumindest noch zu sehen.

Ausserdem spielt, gemessen an ihren Aktivitäten auf Facebook, Olga Lopatina weiterhin Onlinespiele mit dem Vizestaatsanwalt Gena Lopatin. Sie beschenkt ihn mit Onlinegeschenken, likt seine Fotos und er „besucht ihr prächtiges Schloss“. Was soll das nur bedeuten?

Fassen wir einmal zusammen:

  • Artjom Tschaika, der Sohn des Generalstaatsanwalts Juri Tschaika, investiert zusammen mit der Frau des Vize-Generalstaatsanwalts zig Millionen Euro in ein griechisches Hotel und eine Immobilie.

  • Die Medien behaupten, dass ins Hotel „Pomegranate“ 25 bis 29 Millionen Euro gesteckt wurden. Dem Ausmass und dem Tempo der Bauarbeiten nach zu urteilen übersteigen die tatsächlichen Investitionen diese Schätzungen.

  • Abgesehen von diesen gewaltigen Investitionen haben wir herausgefunden, dass Artjom Tschaika in der Nähe eine Villa mit Blick auf Athos gekauft und umgebaut hat. Olga Lopatina, seine Partnerin und desweitern Exfrau des Vize-Generalstaatsanwalts (ihre Scheidung scheint aber fingiert), besitzt in unmittelbarer Nähe ebenfalls eine imposante Villa.

  • Infolge eines aufmerksamen Studiums hat sich ergeben, dass die Gattin des Vize-Generalstaatsanwalts Lopatin Geld mit einem Gemeinschaftsunternehmen verdient, an dem auch Mitglieder der verbrecherischen „Zapok-Bande“ beteiligt sind. Letztere hat vor einigen Jahren auf grausame Art und Weise zwölf Menschen in der Staniza Kuschtschowskaja umgebracht und verbrannt. Ferner ist auch Nadeschda Starowerowa an diesem Geschäft mit den Zapoks beteiligt. Sie ist die Frau des Geschäftsführers der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, Alexei Starowerow. Im Familienhaus der Starowerows wurde vor einem Jahr die „GTA-Bande“ entdeckt, die 14 Autofahrer auf den Strassen der Oblast Moskau umgebracht hat. Der Anführer der Band bewahrte im Haus des Staatsanwalts Waffen und Munition auf. Gemäss Medienberichten haben die Bandenmitglieder bei den Starowerows als „Wächter und Diener“ gearbeitet.

  • Somit hat die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation mit einer der gnadenlosesten Banditengruppierungen zusammengearbeitet und hält diese Zusammenarbeit auch weiterhin aufrecht. Die Illusion von Unbefangenheit und Rechtsprechung in Russland ist zunichte gemacht.

2. Schweiz

Die Immobilie: Ein Haus am See [Bogdan Lisurenko]

Nachdem wir in den griechischen Hotelunterlagen die Namen der Besitzer entdeckt und festgestellt hatten, dass es sich bei diesen um Artjom Tschaika und Olga Lopatina handelte, hätten wir beinahe ein wichtiges Detail übersehen, ohne das uns die Herkunft der Gelder des Generalstaatsanwaltssohns und überhaupt das wahre Ausmaß seiner Reichtümer und korrupten Verstrickungen unbekannt geblieben wären.

Betrachten wir noch einmal den Auszug aus dem Statut der juristischen Person, die das Hotel Pomegranate besitzt:

„1. CHAYKA ARTEM TOY YIOYRI, νομικός γεννηθείς στην

Ρωσία το 1975, Ρώσος υπήκοος, κάτοικος ΕΛΒΕΤΙΑΣ με

ΑΦΜ [...] κάτοχος του αριθμου δελτίου ταυτό-

τητας της Ελβετικής Δημοκρατίας της υπ αριθμό DA

[...],ως Πρόεδρος και Διευθύνων Σύμβουλος.“

[„1. Chayka Artem, [Sohn] des Yiouri, Jurist [nomikos], geboren in

Russland im Jahr 1975, russischer Staatsangehöriger [ypikoos], wohnhaft in der SCHWEIZ mit

Steuer-Identifikationsnummer [...], Inhaber einer Identifikationskartennummer

der Schweizer Republik unter der Nummer DA

[...], als Vorsitzender und Geschäftsführender Direktor.“]

Wie sich herausstellt, ist Artjom Jurjewitsch wohnhaft in der Schweiz [i.e. katoikos Elvetias „Bewohner der Schweiz“].

Das war eine ganz unerwartete Wendung: In den Medien wurde im Zusammenhang mit dem ältesten Sohn Tschaikas die Schweiz nie erwähnt. Wir gingen der Sache nach und fanden heraus, dass sich hinter den Wörtern „wohnhaft in der Schweiz“ eine sehr spannendende Geschichte über die Abenteuer des Generalstaatsanwalts im Herzen des feindlichen Europas verbirgt.

Wir überprüften den Namen „Artjom Tschaika“ im inoffiziellen Schweizer Adressverzeichnis [www.local.ch] und fanden ihn tatsächlich. Erwähnenswert ist, dass solche Verzeichnisse (im Unterschied zu einem Kataster) nicht der Wahrheit letzter Schluss sind. Sie „beziehen“ ihre Daten von anderen Internetseiten, wo jemand sich registriert und seine Adresse hinterlegt hat.

Chayka Artem

chemin des Peupliers 5

1297 Founex

Um uns Gewissheit zu verschaffen, beantragten wir gleich eine offizielle Auskunft über dieses Haus und das Grundstück und fanden dort zu unserem großen Bedauern Artjom nirgends.

Wie sich herausstellte, gehört das Haus einem gewissen Schweiz-Ukrainer namens Bogdan Lisurenko. Ohnehin entspricht das Haus, nach Google Maps zu beurteilen, ganz und gar nicht den Ansprüchen des Generalstaatsanwaltssohnes.

Übrigens, muss Artjom Tschaika denn irgendwelche Begründungen haben, um sich in den Hotelunterlagen als „wohnhaft der Schweiz“ auszugeben? Hat er sich diesen Status nicht einfach ausgedacht?

Um uns endgültig Gewissheit über dieses Haus zu verschaffen (und zugleich die ukrainischen Eigentümer zu warnen, dass der Generalstaatsanwaltssohn ihre Adresse dreist als seine eigene ausgibt), entschieden wir uns, es einmal in Echt anzuschauen. Es liegt in der Nähe des Genfersees im Dorf Founex, nur 30 Minuten Fahrt von Genf entfernt. Das Häuschen ist in zwei Partien unterteilt, offensichtlich für zwei Familien, und sieht sehr bescheiden aus.

Dort erwartete uns jedoch eine Überraschung: Anscheinend ist der Hausbesitzer Bogdan Lisurenko zumindest auf dem Laufenden, dass gewisse „M et Mme Chayka“ dort mit ihm zusammen „wohnen“: auf dem Briefkasten prangen ihre Namen. Offensichtlich wird die Korrespondenz der Familie Tschaika über diese Adresse abgewickelt.

Dieser Fund bewies, dass Artjom Tschaika sich tatsächlich in der Schweiz aufhält. Offensichtlich wohnt er nicht im Haus Lisurenkos und hat sich kaum jemals dort aufgehalten.

Wenn man all dies weiß, lässt sich daraus Folgendes schließen:

  • Wenn sich Artjom Tschaika als „wohnhaft in der Schweiz“ ausgibt und sogar die Nummer einer dortigen ID angibt, muss er ein Visum oder eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz haben.

  • Das Häuschen in Founex sieht überhaupt nicht aus wie eine Unterkunft, die dem Geschmack des Staatsanwaltssohns entspricht. Wenn Artjom Tschaika sich entschlossen hat, sein Leben mit der Schweiz zu verbinden, muss er abgesehen von der fiktiven Adresse auch ein echtes Haus haben, das seinen Ansprüchen genügt.

  • Das Vorhandensein eines Visums und einer Unterkunft würde Konten bei einer örtlichen Bank erfordern – diese wären spätestens bei der Verwaltung einer Immobilie notwendig geworden. Eine fiktive Postanschrift ist auch notwendig – mit ihrer Hilfe kann man diese Konten eröffnen und die Finanzen verwalten.

Diese Vermutungen lassen sich nicht schnell überprüfen – kein Verzeichnis gibt Informationen preis, wenn man nur den Namen eines Besitzers kennt. Die Nummer des permis de séjour (der Aufenthaltsbewilligung) Tschaikas half uns auch nicht weiter. Die Annahme, dass der Staatsanwaltssohn noch eine andere Unterkunft besitzen muss, hatte Priorität – wir mussten das ganze Register des Kantons Genf durchkämmen (es zeigt die Eigentümer nach Adresse) und erfuhren von den Besitzern aller Häuser mit einer Größe von über 100 Quadratmetern in dieser Region. Abgesehen vom Häuschen Lisurenkos fanden wir keine Immobilie, die mit dem Namen Tschaika verbunden gewesen wäre.

Der dreißigjährige Bogdan Lisurenko interessierte uns zunächst wenig: ein Immigrant aus Lemberg, mit 18 Jahren ist er nach Genf gezogen und jetzt wahrscheinlich schon ein waschechter Schweizer. An seiner registrierten Firma „Retro Auto Gaz 21“, die Sammler von Retroautos aus Osteuropa zusammenführt, ist weiter nichts auffällig.

Die Mutter Bogdans, Lilia Lisurenko, erwies sich als weitaus interessantere Person: Unter ihren Freunden auf Facebook fanden sich unsere Bekannten aus Griechenland (und der Staniza Kuschtschowskaja) – die ganze Sippe des Vize-Generalstaatsanwalts Lopatin – wieder.

Jetzt war der Familienname Tschaika auf dem Briefkasten beim Haus Bogdans nicht mehr so rätselhaft, aber wir waren nach wie vor sicher, dass das nicht die wirkliche Adresse des Generalstaatsanwaltssohnes sein konnte. Wir hatten keinerlei Garantien, machten uns aber auf die Suche. Dafür brauchten wir zwei Monate, aber unser Gefühl hatte uns nicht getäuscht.

Wir beschlossen, die Sache von der anderen Seite anzugehen, und studierten Bogdan Lisurenko genauer. Im selben inoffiziellen Verzeichnis, wo wir die Anschrift Artjoms gefunden hatten, wurde Lisurenko zwei Mal erwähnt: einerseits als Besitzer des Hauses, wo Artjom registriert ist, andererseits unter einer nur ein paar Straßen von dort entfernten Adresse [im Nachbardorf Coppet].

Lisurenko Bogdan

chemin des Bochattets 1

1296 Coppet

Die Adresse ist offensichtlich nicht genau: Haus Nummer 1 ist eine Art Pförtnerbude, aber die Siedlung selbst hat uns sehr gefallen: neue und große Häuser, jedes mit einer riesigen Terrasse und Blick auf den Genfersee und die Alpen. Wir überprüften systematisch Gebäude um Gebäude und fanden beim letzten, was wir gesucht hatten: Artjom Tschaika hat im September 2014 eine Immobilie in der Schweiz zu einem Schätzwert von 2,7 Millionen Franken erworben. Das sind etwa 3 Millionen Dollar.

Diese Variante schien sehr viel plausibler. Abgesehen davon, dass das Gebäude noch nicht bewohnt war, passte der Ort (und das Wichtigste: sein Preis) absolut zu den Möglichkeiten des Generalstaatsanwaltssohnes.

Es bestätigte sich, dass Artjom Tschaika sich in der Schweiz nicht nur ein Aufenthaltsvisum besorgt, sondern auch eine Immobilie erworben hatte. Das Vorhandensein einer Unterkunft bedingt auch das Vorhandensein von Konten bei örtlichen Banken, was unabdingbar für den Unterhalt eines Hauses ist. Die Angelegenheit beschränkte sich aber nicht nur auf Konten: Zur Pflege ihrer Schweizer Infrastruktur hatten die Tschaikas sowohl Personal eingestellt als auch ein eigenes Anwaltsbüro gekauft.

Die Anwaltskanzlei [„F.T. Conseils“, Igor Tschaika und François Tharin]

[Bild]

In diesem Gebäude in Lausanne befinden sich zig kleine Büroräume.

An einer der Türen hängt ein unscheinbares Blatt Papier mit dem Namen der Firma „F.T. Conseils“.

Diese Firma bietet juristische Dienste in einem breiten Spektrum an: von Unternehmensgründungen in der Schweiz bis zur Abfertigung von Import-Export-Geschäften.

An diesem kleinen Lausanner Büro ist nichts weiter bemerkenswert, als dass einer seiner Teilhaber der Sohn des Generalstaatsanwalts, Artjom Tschaika, ist. Im März 2015 erwarb Artjom ungefähr 40% der Aktien. Was noch interessanter ist: er kaufte sie bei seinem eigenen Bruder Igor. Igor Tschaika besaß diesen Anteil seit 2013, zur selben Zeit, da er das Amt eines Beraters des Gouverneurs der Oblast Moskau bekleidete. Warum Igor seinen Anteil verkauft hat, wissen wir nicht genau. Vielleicht hoffte er immer noch, ein „echter“ Beamter zu werden (also nicht nur auf ehrenamtlicher Basis zu arbeiten), dann hätte er keine Geschäfte mehr betreiben dürfen.

Eine Lokalzeitung [Schweizerisches Handelsamtsblatt, Handelsregister Waadt] veröffentlichte eine offizielle Erklärung dieses familiären Geschäfts:

"Handelsregister – Registre du commerce – Registro di commercio

Mutationen – Mutations – Mutazioni

FT conseils S.à r.l., à Lausanne, CHE-108.672.008 (FOSC du 30.

03.2015, p. 0/2070607). Chayka Igor, qui n’est plus associé-gérant

et dont la signature est radiée, cède ses 15 parts de CHF 1'000 à

Chayka Artem, de Russie, à Founex, nouvel associé-gérant avec sig-

nature collective à deux.

Registre journalier no 7840 du 26.05.2015 / CHE-108.672.008 / 02176453"

["FT conseils GmbH, in Lausanne, CHE-108.672.008 (Schweizerisches Handelsamtsblatt vom 30.

03.2015, S. 0/2070607). Chayka Igor, der nicht mehr geschäftsführender Teilhaber ist

und dessen Unterschrift gestrichen wurde, überträgt seine 15 Anteile von CHF 1'000

Chayka Artem, aus Russland, in Founex, neuer geschäftsführender Teilhaber, zeichnungs-

berechtigt kollektiv zu zweien."]

(Igor Tschaika versucht in allem – bis zur Unterschrift – seinem Bruder nachzueifern.)

Man beachte, dass Artjom Tschaika angibt, dass er Russe ist, der im Schweizer Dorf Founex wohnt – dort, wie wir uns erinnern, liegt das Haus von Bogdan Lisurenko. Genau für solche Geschäfte benötigt Artjom diese nominelle Schweizer Adresse – seine wirkliche kann er in so einem Fall nicht angeben.

In der Geschichte mit dem Lausanner Unternehmen ist der Schweizer Partner der Gebrüder Tschaika interessant. Dieser Mann heißt François Tharin, er ist 72 Jahre alt. Monsieur Tharin arbeitete früher als Beamter, als Leiter des Migrationsamts des Kantons Waadt, dann bildete er sich zum Berater weiter. Die Kollegen Tharins sagen, dass er auf Immigrationsfragen spezialisiert sei – den Erhalt von Visen und des Einwohnerstatus' in der Schweiz. Die Informationen auf seiner Internetseite bestätigen das.

Offensichtlich ist das auch die Antwort auf die Frage, wer Artjom Tschaika geholfen hat, die Aufenthaltsbewilligung zu erhalten.

Wir wissen aber noch etwas über Tharin, das das Kolorit dieser Geschichte anreichert:

Tharin ist zwar sehr diskret, wurde aber gleichwohl einmal in einem Zeitungsartikel von 1996 erwähnt. Er hat Sergei „Michas“ Michailow, dem Anführer der kriminellen Vereinigung „Solnzewskaja Bratwa“ [des mächtigsten Syndikats der russischen Mafia], geholfen eine Villa zu kaufen und ein Schweizer Visum zu erhalten.

Die Karriere des Juristen nimmt sich seltsam aus: in den 90ern die Villa und das Visum für Michas, in den 2000ern die Villa und das Visum für die Familie des Generalstaatsanwalts.

Wir haben versucht, Tharin zu sprechen, ihm Fragen zu stellen und uns seine Position anzuhören, er wollte sich aber nicht mit uns treffen.

Die Gelder auf den Konten [„Juridical House“ und der Chapsirokow-Clan]

Wir haben uns mit den Konten von Artjom Tschaika befasst. Es stellte sich heraus, dass sich der Staatsanwaltssohn schon seit langem für die Schweiz interessierte. Gemäß unseren Daten hat er sein erstes Konto in einer der größten Schweizer Banken noch zu Beginn der 2000er Jahre eröffnet und es auf seine Frau Marina ausgestellt.

In der Schweiz verwaltet eine eigens engagierte Firma von Juristen und Buchhaltern die Gelder auf den Konten. Zu den Aufgaben solcher Firmen gehört die Zahlung von Steuern für die Kunden, die Buchprüfung und sogar die Überprüfung der Gelder auf ihre Rechtmäßigkeit hin. Diesen Firmen kommt eine wichtige Kontrollfunktion zu: wie auch Banken müssen sie sich Gewissheit darüber verschaffen, dass das Geld, das in Schweizer Konten fließt, legal ist und die Herkunft festgestellt und erklärt werden kann. Diese Firmen sorgen dafür, dass jede Geldausgabe von einem Konto mit einer Rechnung auf die gleiche Summe bestätigt wird, und überprüfen umgekehrt (wenn hohe Geldsummen auf ein Konto gelangen) die Herkunft der Gelder.

Warum hat ein Umsatz mit so hohen Summen auf den Konten der Tschaikas nicht das Interesse der Buchprüfer geweckt? Der Sohn eines Generalstaatsanwalts, eine politisch exponierte Person (PEP), die nicht einmal 30 Jahre alt ist, wickelt Geschäfte in Millionenhöhe über seine Konten ab, aber keiner bemerkt etwas und initiiert eine Überprüfung?

Wir nehmen die Antwort vorweg: Die Leute, die die Tschaika-Konten verwalten, sind genau solche Gauner wie die Tschaikas. Diese Staatsanwaltschaftsfreunde unterhielten mit den Tschaikas eine lukrative Zusammenarbeit, die es beiden Seiten erlaubte, ungestraft zu stehlen.

Bevor die Sippe des Generalstaatsanwalts 2013 ihre eigene Anwaltskanzlei in Lausanne erwarb, haben sich andere Juristen um ihre Angelegenheiten gekümmert. Dieses Büro zu finden hat sich als ungemein schwierig herausgestellt – allein in Genf gibt es hunderte Anwaltskanzleien, die Russen ihre Dienste anbieten, die Konten zu verwalten. Es gelang uns jedoch letzten Endes diejenigen ausfindig zu machen, die die Staatsanwaltsgelder gewaschen hatten.

Im selben Zimmer wie „F.T. Conseils“, das den Tschaikas und François Tharin gehört, ist das Lausanner Büro des Unternehmens „Juridical House“ registriert.

Abgesehen von der Adresse in Lausanne gibt es noch eine interessante Übereinstimmung: das Genfer Büro von „Juridical House“ befindet sich im selben Gebäude wie die Firma von Bogdan Lisurenko – jener Person, in dessen Häuschen Artjom und Marina Tschaika registriert sind.

Das ist aber nicht das Interessanteste:

Es stellte sich heraus, dass das Genfer „Juridical House“ von 2003 bis 2007 von Murat Chapsirokow geleitet wurde. Dieser ist Senator der Republik Adygeja und gehört zu den zehn reichsten Mitgliedern des Föderationsrats [Oberhaus des Parlaments].

Murat Chapsirokow hat eine direkte Verbindung zur Generalstaatsanwaltschaft: sein Vater Nasir „Krim-Garry“ Chapsirokow war seit 1994 Chef der Geschäftsführung der Staatsanwaltschaft, in anderen Worten: Verwalter der Behörde. In dieser Funktion arbeitete er mehr als 6 Jahre lang – er erlebte die Generealstaatsanwälte [Alexei] Il’juschenko [Generalstaatsanwalt 1994-95], [Juri] Skuratow [1995-99], [Wladimir] Ustinow [2000-06] und den Interim [Juri] Tschaika [April-August 1999].

Im Jahre 2000 wurde er im Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal entlassen, landete aber nicht auf der Anklagebank, sondern im Amt des Beraters des Verwaltungspräsidenten, wo er bis zu seinem Tod 2011 arbeitete.

Chapsirokow d. Ä. war eine wichtige Figur in der Anwaltschaft – mit seinem Namen ist eine Vielzahl von Skandalen und Intrigen verbunden, von denen die meisten (noch?) nicht überprüfbar sind. Journalisten mit Verbindungen zum ehemaligen Generalstaatsanwalt Skuratow behaupten, dass Chapsirokow nachgerade das Auftauchen des berühmten Videobands organisiert habe, wegen dem dieser zum Rücktritt gezwungen wurde. [Am 18. März 1999 war eine nie gerichtlich überprüfte Videoaufnahme auf dem staatsnahen Sender WGTRK gezeigt worden, die einen Mann, der Skuratow ähnlich sieht, im Bett mit zwei Prostituierten zeigt. Putin, der damals noch Chef des Inlandsgeheimdienstes war, hatte die angebliche Authentizität des Bandes in einem Interview bestätigt.]

Mit Sicherheit wissen wir über Chapsirokow eines:

Als „Verwalter“ der Generalstaatsanwaltschaft hat er Lieferungen, Ankäufe und Rekonstruktionen vorgenommen und die ganze Behörde renoviert. Das Wichtigste aber: Chapsirokow hat eine behördliche Unterkunft bezogen – nicht nur eine Wohnung in einem vielstöckigen Haus für normale Mitarbeiter der Anwaltschaft, sondern Luxusdatschengrundstücke. Wahrscheinlich hat ihm die Tschaika-Sippe ein herrliches Grundstück in der Rubljowka [extrem teures Villenquartier westlich von Moskau] vermittelt.

Einer der Besitzer eines Grundstücks an der Rubljowskoje-Chaussee wurde 1998 Juri Jakowlewitsch Tschaika.

Nach einem Jahr überschrieb er das Land seiner Frau Jelena Grigorjewna Tschaika und im Dezember 2013 übertrug diese das Eigentum Artjom Tschaika. Die ganze Zeit über wurde auf dem Grundstück ein Haus gebaut.

Mithilfe von Google-Earth-Aufnahmen sehen wir, dass sich 2004 die Konturen eines Hauses abzeichnen und es 2006 seine endgültige Form annimmt. 2008 sieht alles bereit aus, sogar ein Teich wurde ausgehoben. Danach ändert sich nichts mehr.

Abgesehen von der Beendigung der Bauarbeiten ist auch das Haus nicht in der Steuererklärung von Jelena Tschaika erschienen. Es wurde nicht registriert, keine Steuern wurden für das Haus bezahlt. Dieses Schema hat sich längst etabliert: weder bezahlt man Steuern noch gibt man in der Steuererklärung den ganzen Profit an.

Die „Nowaja Gaseta“ veröffentlichte 2012 einen etagenweisen Plan des Familiennests der Tschaikas. Im Haus des Generalstaatsanwalts gibt es sowohl einen Swimmingpool als auch einen Weinkeller und einen Degustationsraum – ein Pelzaufbewahrungsraum scheint nicht zu reichen – oder im Fall des Staatsanwalts ein Uniformenlager.

Zivilmakler haben den Wert des Baus auf mindestens 10 Millionen Dollar geschätzt – und das bei einem jährlichen Einkommen Jelena Tschaikas von 6 bis 8 Millionen Rubel [80-110'000 EUR].

2013 wurde das Grundstück auf den ältesten Sohn Artjom Tschaika übertragen, aber erst im Mai 2015 (d.h. 7 Jahre nach dem Bau) wurde das 1900-Quadratmeter-Haus endlich als Eigentum Artjom Tschaikas registriert.

Auf solche Weise hat – abgesehen davon, dass dank einer List des älteren Tschaika ein riesiges Haus in der Rubljowka bis 2015 offiziell gar nicht existierte, es aber tatsächlich da war und auch benutzt wurde – Juri Tschaika die ganze Zeit über die Gesetzgebung grob verletzt und einen Besitz mit der Gesamtfläche von beinahe 2500 Quadratmetern nicht deklariert.

Chapsirokow d.Ä. ist auch eng verbunden mit Gennadi Lopatin, einer Figur unseres ersten Kapitels. Er war es, der Lopatin in der Generalstaatsanwaltschaft eingeführt und ihn als Nachfolger im Amt des Geschäftsführers installiert hat.

Zur Gedächtnisfeier des Todes von Chapsirokow wurde in Tscherkessk feierlich eine Gedenkbüste errichtet. An der Zeremonie war die ganze Oberschicht der Republik zugegen und unter vielen anderen hielt der Stellvertretende Generalstaatsanwalt Lopatin eine Festrede.

„Der Stellvertretende Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation, Gennadi Lopatin, erzählte, wie N. Ch. Chapsirokow seinen Lebensweg mit Würde und Ehre beschritten hat. G. Lopatin nannte die Enthüllung der Büste zur Verewigung des Andenkens an N. Ch. Chapsirokow ein bedeutendes Ereignis im Leben Karatschai-Tscherkessiens, für das dieser Mensch viel Gutes getan hat. G. Lopatin verneigte sich tief vor den Eltern N. Ch. Chapsirokows dafür, dass sie einen solch strahlenden und talentierten Menschen aufgezogen haben.“

[Offizielle Internetseite des Oberhaupts der Republik Karatschai-Tscherkessien]

Jetzt wird klar, warum sich die Firma, die Chapsirokows Sohn Murat besitzt, an derselben Adresse wie das Lausanner Büro der Tschaikas befindet, – die Beziehung der zwei Familien ist offensichtlich.

Über Murat selbst wissen wir nur wenig: vor dem Föderationsrat hat er Ämter in der Regierung der Republik Kabardino-Balkarien bekleidet und war Abgeordneter, wir konnten aber nichts finden, das sein jährliches Einkommen von 200 Millionen Rubel (2013) [damals ca. 4,5 Millionen EUR] erklären könnte, lediglich sein Amt im Schweizer „Juridical House“ weist in die Richtung, wo man suchen muss. Murat Chapsirokow und Artjom Tschaika sind gleichaltrig und schon lange eng befreundet.

Jetzt stellen wir uns vor: anfangs der 2000er Jahre beschließt der zwanzig-irgendwas-jährige Staatsanwaltssohn, ein Konto in der Schweiz zu eröffnen, um Immobilien zu Gott weiß welchem Preis zu kaufen. Wie bekannt ist, müssen Schweizer Anwaltskanzleien, die die Konten verwalten, diese kontrollieren, das Prozedere des Know-Your-Client (NYC) vornehmen und sie jährlich überwachen. Artjom Tschaika passt das offenbar nicht, weswegen er sich an einen alten Bekannten wendet: den Sohn des Geschäftsführers der Staatskanzlei. Murat Chapsirokow leitet in der Schweiz eine Anwaltskanzlei und ist hier einzelzeichnungsberechtigt. Welche Kontrollen? Welche KYC? Er hat das Konto eröffnet, das Geld übertragen – so kommst du zu Schweizer Konten und Sicherheit ohne „unnötige“ Schweizer Kontrollen.

Der Gerechtigkeit halber muss man jedoch anmerken, dass die Familie Tschaika vor der Eröffnung der Schweizer Konten und der Miete der verwaltenden Kanzleien trotzdem nicht darum herumkahm, zumindest pro forma das Prozedere von Kontrolle und Verifikation über sich ergehen zu lassen. Als Quelle seiner Gelder nannte Artjom Tschaika die Schifffahrtsgesellschaft „Lena“. Hinter dem nichtssagenden Namen verbirgt sich die Flussreederei der oberen Lena, über die der 24-jährige Artjom Tschaika die Kontrolle als Resultat eines komplizierten, mehrstufigen Schemas des Ansichreißens staatlichen Eigentums erhalten hat. Wir werden später darauf zu sprechen kommen.

Der Sohn des Generalstaatsanwalts Russlands hat sich als in der Schweiz wohnhaft herausgestellt. Diesen Status zu erhalten, hat ihm ein Schweizer Jurist geholfen, der zehn Jahre zuvor Michas, dem Haupt der kriminellen Vereinigung „Solnzewskaja Bratstwa“, geholfen hat, eine Villa und ein Visum zu bekommen.

Wir stellen Folgendes fest:

  • Artjom Tschaika wird in der Schweiz als zusammen mit seiner Frau in einem bescheidenen Häuschen wohnhaft geführt. Die fiktive Adresse benötigt er für Geschäftsabschlüsse, weil sie ihm erlaubt, die wirkliche Adresse nicht anzugeben. In Tat und Wahrheit gehört der Familie Tschaika in der Schweiz ein großes Haus in einem Luxusviertel. Der Kauf eines solchen Hauses auf gesetzlichem Wege erweckt Zweifel. Übrigens ist das nicht die einzige Immobile, die Tschaika in Europa gekauft hat – wir wissen bereits von einem Hotel und einer Villa in Griechenland, die ihm gehören.

  • Das Geld, das für den Erwerb von Aktiva im Ausland verwendet wird, bewahrt Artjom Tschaika auf Konten in der Schweiz auf. Die Schweizer legen mit großer Pingeligkeit Wert auf die Sauberkeit und Legalität der Gelder, die in ihren Banken aufbewahrt werden, weswegen Artjom Tschaika, um auf der Hand liegende Fragen zu vermeiden, die Verwaltung seiner Konten der Anwaltskanzlei des ehemaligen Senators der Republik Adygeja, Murat Chapsirokow, anvertraut hat. Murats Vater hat einige Jahre lang als Geschäftsführer der Generalstaatsanwaltschaft gearbeitet und die Tschaika-Sippe hat ihm ein riesiges Haus in der Rubljowka vermittelt. Nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Murat haben die Tschaikas eine eigene Anwaltskanzlei für die Verwaltung ihrer Schweizer Konten erworben.

3. Irkutsk

Artjom Tschaikas erste Million

Seine erste Million hatte Artjom Tschaika schon verdient, als er noch nicht einmal 25 Jahre alt war. Zur Zeit, als seine Altersgenossen und wie er Absolventen der Juristischen Fakultät Arbeit als Anwaltspraktikanten fanden, gab sich Artjom nicht länger mit Kleinigkeiten ab. Er ersann und setzte einen Plan in die Tat um, wie er sich – nicht mehr und nicht weniger – einen für die nationale Sicherheit strategisch wichtigen Betrieb unter den Nagel reissen konnte: die Reederei der Oberen Lena, gelegen in der Oblast Irkutsk.

Artjom Tschaikas Idee sah folgendes vor: gemeinsam mit Komplizen und durch Betrug ersetzte er die Betriebsleitung und installierte als Oberhaupt der Reederei ein von ihm kontrolliertes Gremium. Dieses Gremium fDieselichem 12 Schiffe der Klasse Fluss-MeerJahre in den Bankrott, indem sie Entscheidungen traf, die nur Tschaika und seinen Paührte die Reederei der Oberen Lena innerhalb weniger Jahre in den Bankrott, indem es Entscheidungen traf, die nur Tschaika und seinen Partnern von Nutzen waren. Hierauf machte Tschaika mindestens 12 Schiffe der Fluss- und Meerklasse, die dereinst im Besitz des Staates waren, zu seinem Eigentum.

Diese Geschichte handelt aber nicht einfach von einem vielstufigen Wirtschaftsverbrechen Artjom Tschaikas. Nebst einem Corporate Rade und einem Betrugsdelikt wurde auch ein geheimnisvoller Mord begangen, der in ungeahnter Weise den Interessen von Tschaika dem Jüngeren diente und – eine merkwürdige Übereinstimmung – dank der Einmischung der örtlichen Staatsanwaltschaft nie untersucht wurde.

Der Vater Artjoms, Tschaika der Ältere, hatte seine Karriere in der Oblast Irkutsk begonnen und dort 20 Jahre lang in der Staatsanwaltschaft der Oblast und dem Ministerium für Eigentum gearbeitet. Aus dieser Zeit waren ihm noch viele Freunde geblieben. Dieser Umstand erklärt, warum die Behörden nicht nur die Augen vor den Verbrechen Artjoms geschlossen, sondern ihn sogar aktiv dabei unterstützt hatten. Ohne ihre Einmischung wäre sein Plan womöglich niemals verwirklicht worden.

Wir haben die 15 Jahre zurückliegenden Ereignisse rekonstruiert. Heute sind wir in der Lage, mit Gewissheit Monat für Monat darzulegen, wie Artjom Tschaika die Kontrolle über die Reederei der Oberen Lena erlangt hat, warum der ehemalige Direktor des Unternehmens umgebracht worden ist und wie es dem Generalstaatsanwaltssohn gelungen ist, dem Staat 12 Schiffe zu stehlen. Wie man ein Unternehmen an sich reisst: man nehme einen Abgeordneten von „Einiges Russland“...

Artjom Tschaika versuchte dreimal die Kontrolle über die Reederei der Oberen Lena zu erlangen – die ersten Versuche unternahm er bereits 1999. Zu Beginn agierte er gemeinsam mit Baschir Kodsojew [Bašir Kodzoev], einem Staatsduma-Abgeordneten der Oblast Irkutsk und Vizechef des Komitees für Probleme im Norden [und Fernen Osten Russlands]. Ausgerechnet dieses Komitee war für die Reederei zuständig.

Anfangs versuchte Kodsojew, indem er von seinem Abgeordnetenstatus Gebrauch machte, eine Inspektion der Reederei zu initiieren. Infolge dieser Inspektion hätte er dann empfohlen, die Direktoren für eine Unternehmens„sanierung“ auszutauschen. Diese Empfehlungen verfasste Tschaika selbst. Die Reederei schaffte es aber vorerst, sich dagegen zu wehren.

Nachdem sie diese herbe Niederlage erlitten hatten, gründeten Kodsojew und Tschaika die Gesellschaft „Laena“ [„Laėna“], die der Reederei einen enormen Kredit zu beliebigen Konditionen gewährte, anschliessend aber unerwartet auf dessen unverzügliche Begleichung pochte, worauf das Unternehmen beinahe Bankrott gegangen wäre. Nichtsdestotrotz vermochte die Reederei wie durch ein Wunder den Kredit auszubezahlen. Danach unternahm Tschaika einen dritten Versuch.

Im Jahre 2002 wurde Dmitri Schischkin [Dmitrij Šiškin] mit einem Anteil von ein Paar Prozent Minderheitsaktionär der Reederei und verkaufte im Nachhinein seinen Anteil einem gewissen Ri Bon Chi. Diese Leute waren mit einer ganz bestimmten Mission betraut: ihren Status benutzend initiierten sie Inspektionen in der Reederei und beriefen eine ausserordentliche Aktionärsversammlung ein. Die Irkutsker Staatsanwaltschaft (wie wir uns erinnern mit der Familie Tschaika befreundet), obwohl sie dazu eigentlich gar nicht befugt wäre, begann eine Reihe von Inspektionen des Unternehmens und strengte ein Strafverfahren gegen die Direktoren an.

Albina Kowalewa

Eine besonders wichtige Rolle spielt in dieser Geschichte Albina Kowalewa, die zum Zeitpunkt der Akquirierung der Reederei als Staatsanwältin der Stadt Irkutsk amtete. Obwohl für die Reederei betreffende Fragen die Verkehrsstaatsanwaltschaft zuständig wäre, leitete die Staatsanwaltschaft der Stadt Irkutsk das Verfahren gegen die Direktoren der WLRP ein. Noch merkwürdiger wird die Einmischung der städtischen Staatsanwaltschaft angesichts der Tatsache, dass Irkutsk geographisch 500 km von Ust-Kut entfernt liegt, wo die Reederei ansässig ist.

Die Beteiligung der Irkutsker Stadtstaatsanwaltschaft hängt damit zusammen, dass Albina Kowalewa eine Freundin der Familie Tschaika ist. Kowalewa und Juri Tschaika haben seit Ende der 1980er-Jahre in der Oblast Irkutsk zusammengearbeitet – in der Staatsanwaltschaft der Oblast und dem Oblast-Komitee der KPdSU. Noch heute, da Albina Semjonowna bereits 71 Jahre alt ist, arbeitet sie im Rang eines Generals als Beraterin der Generalstaatsanwaltschaft.

Seltsamerweise blühten die Geschäfte Artjom Tschaikas stets in jenen Regionen, wo von der Staatsanwaltschaft „Schüler“ der Kowalewa eingesetzt worden waren, die von der Irkutsker Staatsanwaltschaft her kamen.

Auch Leonid Korschinek, der Staatsanwalt des Gebietes Krasnodar, der die kriminelle Vereinigung von Zapok protegiert hat, hat mit Albina Kowalewa in der Oblast Irkutsk ab 1985 zusammengearbeitet.

In einem seiner Interviews hat der damalige Direktor der Reederei der Oberen Lena, Nikolai Paljonny, darauf hingewiesen, dass die Beschwerden der neuen Minderheitsaktionäre wortwörtlich, bis hin zu orthographischen Fehlern, von der „Sanierungs“empfehlung abgeschrieben worden waren, die Tschaika einmal vorbereitet hatte.

Wer waren dieser Schischkin und dieser Ri Bon Chi? Dmitri Schischkin gilt als Kommilitone von Artjom Tschaika. Was Ri Bon Chi anbelangt, so wurde er, als er Aktionär der Reederei in Sibirien wurde, warum auch immer plötzlich beim Staat aufgeführt und bezog ein Gehalt von der Kanzlei „Legal Consulting“, die zu 100% Artjom Tschaika gehörte.

Ende Dezember 2002 wurde das alte Reedereimanagement auf der ausserordentlichen Aktionärsversammlung durch ein neues ersetzt. Das Eigentumsministerium (eine ebenfalls mit den Tschaikas befreundete Organisation) widersetzte sich diesen unerwarteten Veränderungen nicht nur nicht, sondern fungierte formal auch als Initiator der Versammlung. Die Direktoren der Reederei, die nicht zur Versammlung eingeladen wurden, wurden nicht einmal darüber informiert, dass andere Leute ihren Platz eingenommen hatten. Ri Bon Chi verkaufte beinahe sofort seine wenigen Aktien.

Dieses Betrugsmanöver des Führungsaustausches konnten wir überprüfen. Einer der föderalen Kanäle hat darüber berichtet – die Geschichte der Unternehmensübernahme wurde dort von den ehemaligen Direktoren der Reederei Wladimir Peretoltschin [Vladimir Peretolčin] und Nikolai Paljonny [Nikolaj Pelennyj] erzählt. Paljonny erklärte in der Sendung sogar, dass Artjom Tschaika für die feindliche Übernahme verantwortlich ist.

Dies Sendung wurde ein Mal gezeigt: zu Beginn des Jahres 2003. Danach verschwand die Ausgabe von der Seite des Fernsehsenders, die alte Aufnahme kann man aber immer noch im Internet finden:

„Heute kämpfen Minderheitsaktionäre gegen uns, aber das sind sozusagen nur Strohmänner. [...] Wie man sagt, soll das Management erneuert werden, damit seine Leute kommen können, die sich vielleicht nicht wirklich in unserem Betrieb auskennen, aber das tun werden, was eine bestimmte Person will.“

W. Peretoltschin

Heute ist es kaum vorstellbar, dass so eine Sendung auf einem föderalen Kanal ausgestrahlt werden konnte. Es scheint unglaublich, dass der Direktor der Reederei ohne mit der Wimper zu zucken den Sohn Tschaikas als Organisator der feindlichen Übernahme eines Unternehmens von strategischer Bedeutung bezeichnet.

Zur selben Zeit ging Nikolai Paljonny zum Teufel. Am 30. Dezember 2002, zwei Tage nach der Aufzeichnung des Programms, fand man den ehemaligen Direktor der Reederei erhängt in der eigenen Garage vor.

Ein Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Tode Paljonnys wurde nicht einmal angestrengt. Die Staatsanwaltschaft bekundete am Tod des ehemaligen Direktors nicht das geringste Interesse. Nach offizieller Darstellung hat er Selbstmord begangen, es fällt einem aber schwer, das zu glauben.

2012 veröffentlichte die „Nowaja Gaseta“ eine eigenständige Ermittlung dieses „Selbstmordes“. Aus ihren Materialien geht hervor, dass die Leiche Paljonnys „auf den Knien“ liegend vorgefunden wurde und seine Arme mit einem Wäscheseil gefesselt waren. Die „Nowaja Gaseta“ veröffentlichte ebenfalls die Schlussfolgerungen des Gerichtsmediziners, der den Leichnam obduziert hatte. Aus diesen geht hervor, dass an Paljonnys Hals deutliche Spuren von einem Seil zurückgeblieben waren – eine sogenannte Strangulationsfurche, deren Form – um den ganzen Hals geschlossen und nicht nach hinten hin geöffnet – bezeugt, dass sie nur als Folge einer Strangulation durch eine andere Person zurückbleiben konnte.

Hier endet der Teil der Geschichte, der an die Öffentlichkeit gelangt ist; über die Reederei haben die Medien nichts mehr berichtet. Man bekommt sogar den Eindruck, als ob der Generealstaatsanwaltssohn seit 2003 in überhaupt keiner Verbindung zur Reederei der Oberen Lena steht. Dem ist aber nicht so. Wir haben einige Monate dafür gebraucht, um beweisen zu können, dass der Profiteur des letzten Bankrotts des Unternehmens Artjom Tschaika war. Der Mord an Nikolai Paljonny war nicht das Ende, sondern der Beginn eines Systems der Überführung von strategisch wichtigen Aktiven von Staatsbesitz zu Privateigentum des Staatsanwaltssohnes.

[...]

Zusammenfassung:

  • Vor fünfzehn Jahren hat der 23-jährige Artjom Tschaika beschlossen reich zu werden. Einem ehrlichen Gewerbe nachzugehen und sein Geld Schritt für Schritt zu verdienen war nichts für ihn. Indem er sich die Verbindungen seines Vaters zunutze machte, riss sich Artjom gesetzwidrig einen Betrieb in der Oblast Irkutsk unter den Nagel und stahl 12 Schiffe. Nach wenigen Jahren ging die Reederei der Oberen Lena Bankrott.

  • Der Raub der Schiffe ging mit einem rätselhaften Mord einher, den die örtliche Staatsanwaltschaft nicht einmal untersuchte – die Irkutsker Behörden waren mit der Familie Tschaika befreundet und unterstützten sowieso alle Projekte Artjoms.

  • Mit 25 Jahren verdiente Artjom Tschaika sein erstes Kapital. Seine persönliche Gesinnungslosigkeit und die korrupten Ressourcen seines Vaters und der Generalstaatsanwaltschaft erlaubten ihm, sich illegal auf Kosten des Staates zu bereichern und dabei straflos zu bleiben.

  • Die Einnahmen, die er mit seinen Machenschaften generierte, überführte Artjom auf die Konten, die er wenig später in der Schweiz eröffnet hatte.

Zusammenfassung des vierten Kapitels („Artjom“):

  • Artjom Tschaika hat alles Mögliche aus seiner Position als Sohn des Generalstaatsanwalts ausgepresst. Jede beliebige Geschichte eines seiner „Geschäfte“ handelt davon, wie erfolgreich er die Verbindungen seines Vaters benutzt hat. Mithilfe der Ressourcen Juri Tschaikas hat sich Artjom nicht nur die Aktiva der Reederei der Oberen Lena angeeignet, sondern sich auch weiterer millionenschwerer Unternehmen in ganz Russland bemächtigt, von denen einige zuvor dem Staat gehört haben.

  • Das Hauptgeschäft Artjom Tschaikas ist die Unterstützung der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaftsorgane und die Einschüchterung und Beseitigung von Konkurrenten. Im Tausch dafür werden die Beamten befördert und erhalten Immunität vor Ermittlungen. Das Geschäftsmodell des Staatsanwaltssohnes basiert auf der kriminellen Hilfe von Kollegen des Vaters und ohne diese Hilfe könnte das Geschäft Artjom Tschaikas nicht bestehen.

Zusammenfassung des fünften Kapitels („Igor“):

Igor Tschaika, der jüngere Sohn des Generalstaatsanwalts, betreibt mit 27 Jahren schon milliardenschwere Geschäfte, die zur Gänze durch Staatsverträge in Gang gebracht werden. Seit seinem 25. Lebensjahr gewinnt er Staatsverträge im ganzen Land – von der Ausstattung olympischer Bahnen bis hin zu Verpflanzung von Bäumen in den Parks der Hauptstadt. Er sich bereits als Beamter versucht, war von der ehrenamtlichen Tätigkeit jedoch enttäuscht und kehrte zu seinen Geschäften zurück. Ebenso wie Artjom ist er ein Schlüsselglied des korrupten Systems der Generalstaatsanwaltsfamilie.

Gemeinsam kontrollieren die Brüder Artjom und Igor Tschaika Schlüsselaktiva – tausende Hektaren Land, Sandguben und Salzlager, Schotter-, Ziegel- und Betonwerke. Sie eignen sich zu besonderen Konditionen Staatseigentum an und bereichern sich an Staatsaufträgen. All dies ermöglicht die Protektion ihres Vaters, des Generalstaatsanwalts Juri Tschaika. Die Einnahmen, die sie illegal generiert, bewahrt die Familie Tschaika in Schweizer Banken auf und gibt sie für den Erwerb ausländischer Immobilien aus: Villen am Meeresufer, Luxushotels und Häuser in Schweizer Luxusvierteln.


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